Das Wetter drückt, die Öffentlichen fahren noch unregelmäßiger als sonst und so ein kleines bisschen nieselt es trotzdem. Was nach einem ganz gewöhnlichen Sommerabend in Köln klingt, ist für viele an diesem gestrigen Mittwochabend mehr. Der lange und beschwerliche Weg nach Mülheim dürfte diejenigen, die ein Ticket für die ausverkaufte boygenius-Show ergattern konnten, nämlich nur bedingt gestört haben. Julien Baker, Phoebe Bridgers und Lucy Dacus sind in der Stadt und haben ihr gemeinsames Debütalbum „the record“ im Gepäck. Das Palladium dankt und ist bis in die letzten Reihen gut gefüllt.

Bunte Haare, schwarze Docs, Regenbogenflaggen und zahlreiche Band-Shirts prägen den ersten Eindruck beim Schritt durch eine der schweren Türen, die im Palladium Foyer und Konzerthalle trennen. Die Stimmung ist gelöst, das Publikum scheint sich – trotz des humiden Klimas – wohlzufühlen.

Die gute Stimmung wird nicht zuletzt von der Pre-Show-Playlist aufrechterhalten, die durch die Halle schallt, bevor boygenius selbst diesen Job übernehmen. Zwischen Caroline Polachek, Charli XCX und vielen weiteren Pop-Künstler*innen scheinen sich die zahlreichen Besucher*innen sehr wohl zu fühlen. Teilweise wird lauthals mitgesungen, getanzt oder sogar die Songauswahl bejubelt. Wer auch immer hier für die Playlist verantwortlich zeichnet, macht alles richtig.

Nach jedem Song wird gejubelt, erwartungsvoll Richtung Bühne geblickt und sich dann doch damit abgefunden, dass noch etwas Geduld gefragt ist. Erst, als das Licht ausgeht und „The Boys Are Back In Town“ von Thin Lizzy aus den Boxen schallt, hat der Applaus nichts mehr mit der Songauswahl zu tun, sondern damit, dass die meisten hier genug Konzertmitschnitte studiert haben dürften, um den Einlaufsong der Band zu erkennen.

Und so kommt es auch, dass die gesamte Live-Band unter tosendem Applaus die Bühne betritt. Nur die eigentliche Band, Baker, Dacus und Bridgers, bleibt erst noch Backstage., um kurz darauf auf der Leinwand im Hintergrund eingeblendet zu werden.

Im Halbkreis aufgestellt stimmen die drei den Opener ihres Albums „the record“ an. Das Publikum stimmt „Without You Without Them“ ebenfalls an und trägt den Acapella-Track durch die gesamte Halle.

Richtig los geht es dann aber mit „$20“ und lauten Gitarren. Die drei Frontfrauen nehmen die Bühne ein und führen vor, was passiert, wenn drei Musikerinnen, die auch allein schon große Bühnen bespielen können, sich zusammentun.

Es wirkt harmonisch und aufeinander abgestimmt. Julien Baker tritt dem Publikum mit erhobener Gitarre entgegen, Phoebe Bridgers verliert sich in diversen Soli in den Tiefen der Bühne und Lucy Dacus fängt beide wieder ein.

Ganz vorne sind die Schreie der Fans während der ersten Songs so laut, dass selbst die aufgedrehten Verstärker wie Balsam für die Ohren wirken. „Emily I’m Sorry“ nimmt etwas Tempo aus dem fulminanten Beginn und gibt den Ton für einen großen Teil des Abends an.

Die drei Musikerinnen übernehmen abwechselnd die tongebende Rolle – Songs von Lucy Dacus, Phoebe Bridgers und Julien Bake stehen ebenfalls auf der Setlist – und fesseln das Publikum mit ihrem mehrstimmigen Gesang.

Zwischendurch spricht das Trio die drückende Hitze an, unter der besonders die ersten Reihen leiden müssen. Eng aneinander gedrängt stehen dort Fans, die schon Nachmittags vorm Palladium warteten, um sich möglichst weit vorne einen Platz sichern zu können. Das Set und einzelne Songs werden kurz unterbrochen, um einige Flaschen Wasser bis in die Mitte der Halle zu liefern. Die Band versorgt die Fans und die Fans versorgen sich gegenseitig.

Ansonsten dürfte von diesem Abend noch eine Frage in Erinnerung bleiben, die Lucy Dacus an das Publikum stellt: „Who here is a Freund?“. In feinstem Denglisch erkundigt sie sich nach all denjenigen, die von ihren Lebensgefährt*innen mitgenommen wurden.

Davon gibt es wohl einige, wenn man den lauten Zurufen vertraut. Und wenn man so in die Gesichter schaut, hat es mit Sicherheit auch keine der Freund*innen bereut.

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