„Ich trage heute Mensch. Steht mir richtig gut. Aber darunter bin ich nackt.“ So könnte man das neue Album „20 Jahre Drehorgel“ der Bremer Punk-Rock-Band Team Scheisse zusammenfassen.
Wir schauen in den Spiegel. Wie jeden Morgen. Wir sehen einen Erwachsenen. Einen ausgewachsenen Mensch. Wir blinzeln kurz. Schauen noch mal hin. Da blitzt plötzlich was auf. Da ist ganz kurz ein Moment des Lebens. Des wahren Lebens. Hinter der Maske und dem falschen Lächeln. Doch dann fällt wieder der Vorhang.
Wir haben uns wieder im Griff. Alles unter Kontrolle. Alles in Ordnung. Alles wie immer. Wir sind bereit für einen neuen Tag. Wir sind die Meister unseres Schicksals. Und meistern doch nur die Rolle eines Erwachsenen.
Wie ein lächerlicher Laiendarsteller stottern wir uns durch den Alltag. Immer in Panik vor dem nächsten Textversprecher. Sollen wir lachen? Heulen? Kotzen? Alles zusammen?
Team Scheisse bringen mit „20 Jahre Drehorgel“ den ganzen Wahnsinn des Erwachsenendaseins auf den Punkt. Niemand ist wirklich erwachsen. Alle spielen nur eine Rolle. Dabei arbeitet sich die Band an unser aller Lieblingsrollen ab. Vom Bürohengst über den Lokführer bis zum Influencer. Alle kriegen ihr Fett weg.
In bester Punk-Rock-Manier fahren Team Scheisse direkt in die Tiefgarage unseres Lügengebäudes. Dort platzieren sie Sprengladungen aus schrammeligem Sound. Keine Säule unserer sorgsam gepflegten Identität wird vergessen.
Wir sitzen oben im Büro und haben ein Meeting. Wir reden über Bilanzen. Mit wichtigen Worten und Zahlen und so. Erwachsenenkram halt. Da fährt der Minibus der Bremer Musikanten aus der Tiefgarage. Mit quietschenden Reifen macht sich die Band davon.
Wir schauen aus dem Fenster. Irgendetwas stimmt nicht. Die Wolkenkratzer um uns herum fallen wie Kartenhäuser. Einer nach dem anderen knickt ein und versinkt in einem Atompilz aus Schutt und Asche.
Und dann spüren wir einen Ruck. Er geht uns durch Mark und Bein. Und dann stürzt auch unser Lügengebäude in sich zusammen.