Die vielen Gesichter von Perfume Genius, sie zeigen sich auf „Glory“ beinahe ungeschminkt. Der US-Singer/Songwriter Mike Hadreas widmet sich wieder mehr dem Indie- und Folkrock. Freilich der bombastischen Seite, aber eben nicht länger dem künstlerisch vertrackten Wildwuchs.

Dadurch verliert er zwar ein Stück weit an Mystik, gewinnt aber auch an Robustheit, die seinen als Protestsongs angelegten, queeren Indie-Hymnen eine wichtige Standfeste verleihen.

Gerade im direkten Vergleich mit dem Vorgänger, der mit avantgardistischen Mitteln für die Untermalung der Arte Mediathek aufblühte, wo Songs wie „Teeth“ vor dramaturgischen Expressionismus strotzten, begnügt sich „Glory“ nicht zwangsläufig mit weniger, aber doch weniger Extravagantem.

Hier sind zunächst die Zähne ausgefallen: „No Front Teeth“ ist ein groß angelegtes Folkrockstück, das mit der neuseeländischen Gastsängerin Aldous Harding rockiger auffährt als das Gros des bisherigen Perfume Genius Ouvres. In dieser Kombination steht Hadreas plötzlich Bright Eyes oder gar Better Oblivion Community Center nahe. Und das im besten Sinne.

Staubiger war es noch nie. Was nicht bedeutet, dass hier er auf filigrane Finesse verzichtet würde. Wenn die Holzbläser im Hintergrund von „Full On“ über den Gitarren flirren, die klingen wie kleine Harfen, dann wirkt das schön füllig und reich an Details.

Das gelingt wohl auch deshalb so gut, weil Hadreas auf die beste seiner bisherigen Bandbesetzungen zurückgreifen kann. Bestehend aus den beiden Gitarristen Meg Duffy und Greg Uhlmann, die Schlagzeuger Tim Carr und Jim Keltner sowie dem Bassisten Pat Kelly. Obendrein wurde sein siebtes Album wieder vom langjährigen Stammproduzenten Blake Mills produziert, der den Soundshift hervorragend ins Szene ist.

Musikalisch bedeutet „Glory“ daher eine wunderbare Abwechslung im Schaffen von Hadreas, inhaltlich trägt es aber eindeutig seine bisherige Handschrift und schreibt die ihm wichtigen Themen wie Identität, Sexualität, Trauma und Heilung fort.

Die Ausgrenzung, die er durch sein Outing als Homosexueller im Alter von 15 Jahren erfahren hat, und die daraus resultierende Drogensucht, sie sind die Basis seiner queeren Protesthymnen. Im Kern ist jede der 11 Nummer eine Charakterstudie jener, die im Wahn der jetzigen US-Regierung als Außenseiter komplett unter die Räder kommen.

Mit der Präzision eines Romanciers und dem Geist des Protestsongschreibers erstreitet sich Perfume Genius mit „Glory“ endgültig seinen Platz auf der Staffelei der großen Songwriter der Gegenwart.

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