Am gestrigen Abend verwandelte sich die Moritzbastei in Leipzig in ein Epizentrum des Noisepunks. Die Lambrini Girls, bestehend aus Phoebe Lunny (Gesang/Gitarre) und Lilly Macieira (Bass), unterstützt durch ihren Live-Schlagzeuger Banksy, präsentierten eine energiegeladene Show, eine rebellische Zeitansage, verpackt in Gitarrenwände und messerscharfe Texte.
Der Abend begann mit Kent Osborne, dessen Support-Act bereits die Messlatte hochlegte. Akrobatisch und selbstbewusst jonglierte er zwischen Musik und Performance, ein nahezu dionysischer Vorgeschmack auf den Abend, der noch kommen sollte. Osbournes Präsenz war wie ein musikalischer Vorspann, der Erwartungen aufbaute und Neugier weckte, auch durch seine wiederholte Erwähnung seines Namens (mindestens fünf- bis sechsmal), das für Schmunzeln im Publikum sorgte.
Dann brachen die Lambrini Girls los – und die MB bebte bis in ihre Grundfesten. Sängerin Phoebe Lunny teilte das Publikum wie einst Moses das Meer, bahnte sich physisch und musikalisch einen Weg durch die Masse. Ihre Körpersprache war eine Choreografie des Widerstands, jede Bewegung ein Statement, jeder Schritt eine Herausforderung an etablierte Machtstrukturen.
Musikalisch bewegten sich die Lambrini Girls in einem Spannungsfeld zwischen Punk, Indie und einer Prise Riot-Grrrl-Attitüde. Die Setlist war eine Wundertüte voller Energie, Wut und unbändiger Spielfreude.
„Big Dick Energy“ und „Filthy Rich Nepo Baby“ entlarvten gesellschaftliche Strukturen, während sie gleichzeitig mit druckvollen Riffs und treibenden Basslines zum Tanzen einluden – eine seltene, subversive Kombination.
Songs wie „Lads Lads Lads“, „Bad Apple“ und „Mr Lovebomb“ wurden mit solcher Intensität gespielt, dass das Publikum kaum eine Verschnaufpause hatte.
Zwischen den Titeln nutzte die Band die Gelegenheit, politische Statements zu setzen. Mit klaren Ansagen wie „Fuck AfD“, „Fuck Nazis“ und „Fuck the government“ positionierten sich die Lambrini Girls unmissverständlich gegen rechte Tendenzen und für eine offene Gesellschaft.
Die Lambrini Girls wiesen darauf hin, dass in Großbritannien bei Fällen von sexualisierter Gewalt die Verurteilungsrate lediglich bei 6-8% liegt – ein erschreckender Fakt, der auch im Zuschauerraum zum Nachdenken anregte.
Gegen Ende des Konzerts sorgte Phoebe Lunny noch einmal für einen Höhepunkt: Sie kletterte die drei Meter hohe Leiter zum Lichttechniker gegenüber der Bühne hoch und lud die Zuschauer*innen von dort zum Crowdsurfing ein. Ein paar folgten der Aufforderung und fanden sich auf der Bühne ein und machten die Szenerie noch wilder.
Der Abend endete ohne Zugabe mit dem kraftvollen „Cuntology 101“, das noch einmal alle Energie bündelte und die Fans in Ekstase versetzte. Die Band dekonstruierte nicht nur musikalische Grenzen, sondern auch soziale Normative.
Zwischen Punk und Performance, zwischen Musik und politischem Statement, schufen die Lambrini Girls gestern einen Raum der Transformation. Ein Abend, der unter die Haut ging, Ohren betäubte und Herzen öffnete. Punk lebt – und er lebt verdammt gut.