Es ist vollbracht: mit „Hurry Up Tomorrow“ präsentiert The Weeknd den finalen Akt seiner musikalischen Trilogie – eine hypnotische Reise durch die Schattenwelten der Psyche, die nach „After Hours“ (2020) und „Dawn FM“ (2022) neue Abgründe erforscht.

Der Opener „Wake Me Up“ etabliert sofort das zentrale Motiv: „All I have is my legacy“, verkündet Abel Tesfaye über einem opulenten Arrangement, das von einem dramatischen Intro, über Michael-Jackson-Nostalgie bei einem modernen Disco-Chorus landet.

Überhaupt klingt „Hurry Up Tomorrow“ wie ein sorgfältig kuratiertes DJ-Set. Die Übergänge sind fließend, das Werk funktioniert am besten als Gesamtbild – Shuffle-Modus? Besser nicht.

Die immersive Produktion entfaltet sich wie eine moderne Oper, deren dichte Synthesizer-Texturen und dramatische Arrangements einen fast sakralen Raum erschaffen.

The Weeknds verführerische Lyrics navigieren durch vertrautes Terrain: verlorene Liebe, chemische Eskapaden und die existenzielle Leere des Ruhms.

In „Enjoy The Show“ schimmert eine subtile Referenz an seinen eigenen Hit „I Can’t Feel My Face“ durch – ein bitterer Kommentar zur emotionalen Taubheit des Erfolgs.

„Take Me Back To LA“ gleitet mit einer der einprägsamsten Hooks des Albums durch melancholische Erinnerungen, während „Open Hearts“ mit seinem leuchtenden 90er-Jahre-Trance-Gewand und „Sao Paulo“ mit portugiesischen Vocal-Samples von Anitta neue klangliche Territorien erschließen.

Die Klangarchitektur trägt die Handschriften von Größen wie Max Martin und Mike Dean, deren Expertise sich in der messerscharfen Pop-Produktion widerspiegelt.

Apropos Gäste: Obwohl keine Features offiziell angegeben sind, tauchen in den Songs die Vocals großer Namen wie Travis Scott, Future, Playboi Carti und Lana Del Rey auf. Diese fügen sich unauffällig in das Gesamtbild ein und bieten eine willkommene klangliche Abwechslung.

Der titelgebende Schlussakt markiert einen emotionalen Wendepunkt. „I want to change“, singt The Weeknd, getragen von majestätischen Orgelklängen, die zwischen Erlösungssehnsucht und Resignation schweben.

Diese Ambivalenz durchzieht das gesamte Album – ein Spannungsfeld zwischen futuristischer Sound-Ästhetik und klassischem R&B, zwischen Blade-Runner-Dystopie und Club-Katharsis. Von entwaffnend schönen Melodien und unverblümt ehrlichen Texten zu dunklen, tanzbaren Beats.

Das Album verlangt und verdient ungeteilte Aufmerksamkeit. Trotz seiner epischen Länge von fast eineinhalb Stunden und 22 Tracks (von denen einige kurze Interludes sind), und vertrauter Vocal-Effekte erschafft The Weeknd eine faszinierende Klangwelt, in der man sich verlieren kann – oder sollte man besser sagen: verlieren muss?

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