Alternative-Rock und R&B zu fusionieren, haben bisher nur wenige versucht. Manche Ansätze ließen sich bei Tash Sultana, Santigold und M.I.A. erkennen, jedoch keiner in der faszinierenden Konsequenz von Saya Gray. „SAYA“ heißt in Kapitälchen ihr offizielles Debütalbum, womit sie ihre bisherigen Veröffentlichungen als EPs definiert, auch wenn „19 Masters“ bereits 51 Minuten lang war.

Die 29-Jährige kommt aus Kanada, ihre Großeltern stammen aus Schottland und Japan, und Saya trieb sich zum Zwecke der Musik unter jamaikanischen Migrant*innen in Toronto herum. Japan-Ästhetik prägt auch Schmuck und Schminke, die sie auf dem Platten-Cover trägt.

Die kosmopolitisch geprägte Sängerin ist Bassistin, spielt eine Reihe weiterer Instrumente und arbeitet für andere Künstler als Arrangeurin. Dabei lohnt es sich, ihre Stimme wirken zu lassen, wie ihre exaltierten Höhentöne in „Puddle (Of Me)“ belegen.

Stellenweise zeigt sich Saya Gray offen für Verfremdung, etwa indem sie kristallklaren Falsett mit verzerrendem Auto-Tuning in wabernde, tiefere Klänge verwandelt, die sich zum Beispiel an einer Slide-Gitarre reiben.

„How Long Can You Keep A Lie?“ ist in dieser Hinsicht ein Meisterwerk. Hier kommt Hyper-Pop als Spielart zum Tragen. Diametral dazu steht in der Grammatik der musikalischen Stilkunde der authentische Autor*innen-Folk.

In „10 Ways (To Lose A Crown)“ laufen Zitate aus beiden Welten überkreuz. Das ist ein sehr seltenes und effektvolles Hör-Erlebnis, ergänzt um Geräusch-Fetzen mittendrin, mit einem Intro-Vorspann namens „Cats Cradle!“ mit Neo-Klassik und Voicemail-Aufnahmen und ein schrilles Outro.

Die schon weitaus gebräuchlichere Taktik, düstere Riffs und Trip-Hop gegeneinander zu scheuern, hat von den Kastrierten Philosophen bis zu Pumarosa immer wieder mal beeindruckend funktioniert, und Sayas „H.B.W“ steht solchen Vorläufern in nichts nach.

In so einem Moment registriert man auch, dass sie auf demselben Label wie Rina Sawayama unter Vertrag steht, Dirty Hit in London – kein Zufall, sondern Programm. Allerdings kommt „SAYA“ im Gegensatz zu Rina ohne einen Funken Aggressivität aus, orientiert sich bei aller Quirligkeit mehr in Richtung Downbeat und Entspannung.

Während die ersten beiden Stücke Country-Ausflüge unternehmen, wähnt man sich in der zweiten Album-Hälfte manchmal in einem Downtempo-Set. Entsprechend richtet sich die innovative Newcomerin an ein gemischtes Publikum, das offen für Experimente ist.

„SAYA“ spielt eine ungewöhnliche Fantasie-Reise durch, die vom Trucker-Restaurant am US-Highway über die abgedunkelte Hotel-Bar im intimen fünften Track „How Long Can You Keep Up A Lie?“ bis in den Hipster-Großstadt-Club führt.

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