Selbstheilung durch Selbstreflexion und konsequente Isolierung scheint gerade das Mittel der Wahl zu sein, wenn man in eine Depression schlittert. Jacob Allen alias Puma Blue hat mit Gitarre, Aufnahmegerät und seinem Tagebuch ein 35-minütiges Album namens „antichamber“ aus diesem Prozess geschaffen.
Der Ex-Londoner, der bisher mit von Electronica durchsetztem Lo-Fi-Sound auffiel, zieht sich jetzt vollends in sein Schlafzimmer zurück, das ihm bisher schon als Aufnahmezimmer diente.
Die ambienten Tracks des neuen Albums sind in seiner Wahlheimat Atlanta entstanden und sollten für Fans von Puma Blue erstmal eine klangliche Neuorientierung einläuten, die jedoch auch eine Essenz aus den bisherigen Alben zu sein scheint.
Schon das ins Morbide abgleitende Album „In The Praise Of Shadows“ von 2021 hatte entschleunigte Elemente, die jetzt konzentriert auf Saitenspiel und Gesang sind.
Mit hellem, säuselnden Gesang geleitet uns Puma Blue durch den „Hotel Room“, in dem er hofft, einen Platz zu finden, um seine Jacke abzulegen und Erinnerungen zu verarbeiten.
Hin zu „In My Wildest Dreams“, in denen eben diese Erinnerungen intimer werden. Als Zweitstimme dient immer an seiner Seite die Gitarre, deren zaghaftes Spiel Türen in verschlossene Hinterstübchen öffnet.
Orte, bei denen „Whilst My Heart Breaks“ als schwermütige Emotion dunklen Treibstoff fürs schwermütig pochende Herz bietet und das selbstkritische „Gone Is The Grace“ Finger über Saiten schleift.
Zurückhaltend und doch vorhanden sind die eingespielten Soundeffekte, die mal glockengleich erklingen oder doch nur reduzierte Umgebungsgeräusche sind.
Notwendige Abwechslung, denn Vielseitigkeit findet man auf „antichamber“ kaum. Schon bald verfällt Puma Blue in eine dumpfe Elegie, gefangen in der Spirale seiner Selbstreflexion und den wenigen Quadratmetern der selbstgewählten Isolation.
Zumindest lässt er seinen Geist nicht einengen, wenn „Tangent Mind“ milde gestimmt, wellengleich wogend den Gesang ins Ohr spült und die Gitarre kräuselnd liebevolle Gedanken zulässt.
Das Piano von „Dying As A Note“, mit seinem regnerischen Hintergrundprasseln. zaubert den atmosphärisch stärksten, instrumentellen Titel des homogenen Albums.
Nicht selten, im besten Sinne an Bon Iver erinnernd, gefällt sich Jacob Allen auch als Spiegelbild seiner Gefühlswelt, die wiederum eine Blaupause für so viele von uns darstellt.
So sagt „Shame“ mit wenigen Worten doch soviel aus und lässt uns im Äther unserer eigenen Gefühlswelt wühlen, die ausgelöst durch seine Worte einen Dammbruch erlitten hat.
„In The Absence Of You“ besingt Puma Blue nicht nur das Alleinsein, es lässt leider auch die Schlafzimmer-Recording-Qualität hören, weshalb hier nach eineinhalb Minuten schon „Tapestry“, die Singleauskopplung, erklingt.
Ein Titel, der nicht nur den Schnee besingt, sondern auch wie ein Wintertag vor prasselnden, wärmenden Kaminöfen klingt und dabei die lyrische und gesangliche Qualität von Puma Blue in den verdienten Mittelpunkt rückt, ohne das scharrende Geigenspiel im Schatten vergessen zu lassen.
„antichamber“ wirkt seltsam moderat – trotz seiner emotionalen Tiefe erreichen Songs wie „Long Time Parking“ nicht denselben Effekt wie vorangegangene.
Ein Schicksal, das leider auch die läutenden „Decatur Bells“ ereilt, einem – durch seine Klangwelt schwermütig, massigen – Instrumentaltitel.
„Antichamber“ ist zurückgezogen und ich-bezogen selbstreflektierend. Manches Mal mögen diese Emotionen auch berühren, eigene Erinnerungen an die von Jacob Allen hängen und doch verbleibt das Album als intime Schlafzimmerproduktion.
Konzentriert auf Worte und die minimale Produktion, steuert der Musiker aber auch ziellose Skits ein, die wohl in Momenten der Schlaflosigkeit entstanden sind.
Zum Hinhören auffordernd, enttäuschen die akustisch flachen Momente doch zu sehr, um sich für Puma Blues Heilungsprozess länger zu begeistern.