Wer nach Jojo Ormes Musiker-Alter-Ego Heartworms im Internet sucht, kann sich erstmal mit den gleichnamigen Fadenwürmern befassen, die des Menschen besten Freund befallen. Das Debütalbum der jungen Britin, „Glutton For Punishment“, bohrt sich ebenso ins Herz der Hörerschaft.

Jojo Orme verarbeitet in ihrem düsteren Synthpop ein Kindheitstrauma, setzt sich mit tiefen Ängsten auseinander und zeigt ein tiefes Gespür für lyrisches Songwriting.

Gemeinsam mit Produzent Dan Carey konzentriert sich Jojo auf die Wechselwirkung von synthetischem Pop und ihrer modern klingenden Stimme. Irgendwo zwischen PJ Harvey und Billie Eilish findet Heartworms ihr kleines dunkles Kämmerchen. Daraus nährt sich ihre Gedankenwelt und lässt schockiert und schwer atmend zurück.

Gesanglich wandelbar von flötend bezirzend bei „Just To Ask A Dance“ über das beschwörende „Extraordinary“ hin zum storytellenden Titeltrack, erweist sich Heartworms als wortgewandte Künstlerin, deren Organ sich der Atmosphäre des Songs perfekt annimmt. So entführt das genannte „Just To Ask A Dance“ in selige 80er Jahre Synthiepop Zeiten, industrielle Beats treffen auf einen Poprhythmus, den sich Jojo Orme zum Untertan macht.

Nervös vollgepumpt, den Post-Punk zelebrierend, schleicht „Jacked“ durch Großstadtnächte, packt unbedarfte Nachtwandler am Kragen und schreit ihnen das Unbehagen ins Gesicht, rast mit mörderischer Geschwindigkeit über leere Straßen und meidet doch das immerwährende künstliche Licht der Nacht.

Heartworms strawanzt als „Mad Catch“ – zwischen Tiefkühlpizzen und dunklen Geheimnissen watend – durch Billie Eilishs Abseitigkeitspop, zwischen gerappten Zeilen und kehlig intoniertem Chorus und hüpft wie Alice durchs Wunderland der eigenen Andersartigkeit, um sich doch mit einem ziemlich beliebigen Gitarrenakkord zufrieden zu geben.

Das lange Intro von „Extraordinary“ stimmt auf ruhigere Klänge ein, tackert dennoch einen nervös pluckernden Beat ins Gehör, der mit dem raumgreifenden Gesang harmoniert.

Das stimmt auf das atemraubende „Warplane“ ein, dessen surrendes Flüster-Intro eben jenes Kampfflugzeug am Horizont erscheinen lässt, bevor es dann mechanisch arbeitend die Aufmerksamkeit auf den sinnierenden Klang von Heartworms‘ Stimme lenkt, der in einem choralen Refrain einen Bombenteppich der Eindringlichkeit legt. Dieser „Warplane“ entkommt man nicht, denn Ormes Gesang wütet und hat seine Krallen tief in uns geschlagen.

Da wirkt „Celebrate“, als hätte es sich im düsteren Wald der Drummachine-Beats verirrt, singt sich aus einem Zustand der Orientierungslosigkeit in ein infernales Kreischen, auf ewig verloren in den elektronischen Klängen.

Gut, dass sich „Smugglers“ als mild gestimmter Gitarrenrock an den Taschen der unbedarften Hörerschaft bedient, um seine Einsamkeits-Botschaft zu verbreiten.

„Glutton For Punishment“ erweist sich als frohlockender Akustikgitarren-Pop, dem spät aber doch ein Popgewand übergestreift wird. Heartworms versteht sich auf eindringliche Musik, die mal fröhlich und mal wütend den Grenzbereich der eigenen Gefühlswelt erforscht.

Dabei erweist sich „Glutton For Punishment“ als facettenreiche Kunst zwischen modernem Befindlichkeits-Pop, 80er Jahre Synthpopmechanik und einer leichten Kate-Bush-Ästhetik. So geht auch das Debüt von Jojo Orme ans Herz, ohne dabei ein 30cm langer Fadenwurm zu sein.

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