Mit seinem neuen Studioalbum „Horror“ präsentiert Bartees Strange sein bisher persönlichstes Schaffen. Die Verarbeitung von eigenen Ängsten soll dabei auch als Schlüssel für andere Menschen dienen, die in ihrem Leben ähnliche Dinge erlebt haben wie der in England geborene amerikanische Sänger. Kurz vor der Veröffentlichung von „Horror“ trafen wir uns mit Bartees Strange zum Interview und sprachen über gruselige Momente vor der Mattscheibe, besondere Begegnungen und die Liebe zu brachialen Sounds.
MusikBlog: Bartees, du hast früher als Kind viele Horrorfilme gesehen und greifst diese Phase deines Lebens nun noch einmal auf deinem neuen Album „Horror“ auf. Kannst du uns mehr über die Hintergründe verraten?
Bartees Strange: Meine Eltern haben mir als Kind ständig Gruselgeschichten übers Leben erzählt. Dabei ging es aber nicht darum, mich zu erschrecken, sondern darum, mich zu stärken. Ich sollte fürs Leben gerüstet sein und mit Ängsten umgehen können. Dazu muss man wissen, dass meine Eltern im Süden der USA, in einer ziemlich ländlichen Gegend aufgewachsen sind und sie es nicht immer leicht hatten. Ich bin auch dort aufgewachsen. Irgendwann hatte ich als Kind die Idee, dass mir Horrorfilme dabei helfen könnten, mich stärker und gefestigter zu machen. Ich dachte, wenn ich Gruselfilme sehe, dann kann mir irgendwann so schnell nichts mehr Angst machen.
MusikBlog: Welcher war der gruseligste Film, den du je gesehen hast?
Bartees Strange: Oh, ich habe wirklich viele sehr gruselige Filme gesehen. „Grave Encounters“ finde ich auch heute noch ziemlich heftig. „Funny Games“ ist auch ein ziemlich gruseliger Film. Ich habe es immer geliebt, wenn einem zuerst eine heile Welt vorgespielt wird, es dann aber irgendwann so richtig derbe abgeht. Wenn ich zurückblicke, dann hat damals alles mit Michael Myers angefangen. „Halloween“ habe ich mit 12 Jahren gesehen.
MusikBlog: Die Ängste haben sich irgendwann verändert und verwandelt?
Bartees Strange: Ja, genau. Aus der Angst vor dem Monster unterm Bett wurde die Angst davor, innerhalb einer Beziehung irgendwie zu versagen. Das ist nur ein Beispiel. Es gibt so viele verschiedene Ängste. Wenn man als schwarze, queere Person in der Gegend groß wird, in der ich aufgewachsen bin, dann hat man mit vielen Ängsten und Herausforderungen zu kämpfen. All die Erinnerungen, aber auch die Ängste, die ich noch heute in mir trage, spielen in den neuen Songs eine große Rolle.
MusikBlog: Gibt es einen Song auf dem Album, der diesbezüglich besonders heraus sticht?
Bartees Strange: Da fällt mir spontan „Baltimore“ ein. In dem Song geht es darum, wo man sich meiner Meinung nach als schwarze Person in den USA am sichersten und wohlsten fühlt. Es gibt so viele wunderbare Orte und Städte in Amerika. Aber überall gibt es auch Probleme. Baltimore wäre für mich ein Ort, wo ich mir vorstellen könnte, Wurzeln zu schlagen. Ich bin jetzt Mitte 30 und da macht man sich ganz automatisch auch Gedanken darüber, wo man sich langfristig heimisch fühlen und niederlassen möchte. Baltimore wäre so ein Ort.
MusikBlog: Wenn man sich die neuen Songs anhört und den Fokus auf den Sound und die vielen Drehungen und Wendungen legt, dann scheint es so, dass du musikalisch komplett ohne Angst an die Sache rangegangen bist. Würdest du da zustimmen?
Bartees Strange: Ja, das stimmt. (lacht) Ich habe schon immer viel experimentiert. Aber diesmal wollte ich noch einen Schritt weiter gehen. Ich wollte alles mit einbringen, was mir an Einflüssen wichtig ist. Fleetwood Mac, Radiohead, die alten Funk-Sachen aus den Siebzigern, House, Rap – einfach alles.
MusikBlog: Einer meiner Lieblingssongs ist „Hit It And Quit It“. Der klingt, als hätten sich Stevie Wonder und Die Queens Of The Stone Age spontan zum Jammen getroffen.
Bartees Strange: Genau darum ging es mir auch. Ich wollte keine Grenzen. Alles sollte erlaubt sein. Der Song „Too Much“ verbindet auch diese heftigen Gitarrenlicks und kraftvollen Drums mit den ausdruckstarken Funk-Vibes der Siebziger. Ich liebe diese Kombination.
MusikBlog: Du hast für das Album mit Jack Antonoff (Taylor Swift, Lana Del Rey) zusammengearbeitet. Eure Kennenlerngeschichte ist ziemlich witzig.
Bartees Strange: Ja, in der Tat. Ich traf ihn auf einem Festival. Ich stand da irgendwo für Essen an und er war direkt hinter mir in der Reihe. Er tippte mir auf die Schultern und meinte, er würde meine Musik total abfeiern. Ich war total perplex und dachte zuerst, dass er mich veralbern will. Naja, als ich dann gemerkt habe, dass er es wirklich ernst meint, erzählte ich ihm von meinen neuen Songs. So kam es dann irgendwie dazu, dass wir kurz darauf gemeinsam im Studio saßen und viele der vermeintlich fertigen Sachen noch einmal gemeinsam überarbeitet haben. Das war schon ziemlich irre.
MusikBlog: Welche Phase innerhalb des Produktionsprozesses ist dir persönlich die liebste und wichtigste?
Bartees Strange: Eigentlich habe ich an allem viel Spaß. Aber am wohlsten fühle ich mich eigentlich immer kurz vor einer Veröffentlichung. Während dieser Zeit, in der alles fertig ist, aber noch niemand das große Ganze kennt, habe ich immer das Gefühl, dass die neuen Sachen nur mir ganz allein gehören. Das ist ein sehr schönes Gefühl.
MusikBlog: Was viele vielleicht nicht wissen: Vor deiner Solokarriere hast du in verschiedenen Hardcore-Bands gespielt. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit?
Bartees Strange: Ich habe noch sehr intensive Erinnerungen an meine Hardcore-Zeiten. Es war eine wilde und sehr prägende Phase. Ich liebe diese Art von Musik, sehr heavy und ungefiltert. Manchmal wünschte ich mir, ich würde immer noch in einer Hardcore-Band spielen. Als junger Musiker habe ich immer davon geträumt, in einer Hardcore-Band zu spielen und irgendwann einmal in New York und Washington aufzutreten. Das habe ich dann irgendwann getan. Und es war großartig.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.