Solidarität und Schwesternschaft gegen die düsteren Zeiten und persönlichen Verlust: Albertine Sarges hat in ihrem Studio in Berlin-Marzahn mit „Girl Missing“ ein Album, gar ein Manifest, der Solidarität geschrieben. Eine Reise durch eine klangvolle und starke Welt.
Erst 2021 beglückte Albertine Sarges die Welt mit ihrem Debütalbum „The Sticky Fingers“, das in vielen Kreisen bereits als absoluter Geheimtipp galt. Album Nummer zwei setzt hier an – und noch einiges an Imposanz oben drauf.
Früh steht fest: Albertine Sarges hat mit „Girl Missing“ große Ambitionen. Das zeigt schon der gleichnamige Opener, der Storytelling-Elemente über die Gefahren des Patriarchats mit Streichern, Flöten und großen Chören verbindet.
Bei diesem aufwendigen Instrumentarium bleibt „Girl Missing“ dann auch – alle 13 Songs beweisen Fingerspitzengefühl in Arrangements und Konzeption. Im Inneren lodert die Fürsorge und wahrhaftige Hingabe für andere Frauen und queere Menschen – etwa im leidenschaftlichen „Motherless Universe“ oder dem ruhigen „Reflection“.
Wohltuend für den Hörgenuss: Albertine Sarges wechselt die Rhythmen, Geschwindigkeiten, Akzentuierungen im Laufe der Platte häufiger als andere Musiker*innen im Laufe ihrer Karriere:
Zwischen dem reißenden Indie-Rock von „Stand Near Your Fire“ und dem theatralischen Art-Pop von „Rose Of Jericho“ schafft die Platte eine Welt aus einer riesigen Vielzahl an Reinkarnationen der Albertine Sarges.
Teils driftet die Platte gar gen Jazz ab („On My Mind“ featuring Dena und Daniel Nentwig) oder klingt mit größeren Chören nach Live-Erlebnis der höchsten Liga („Friendship“). Das ist Avantgarde, das ist Folk, das ist Flötenmusik und doch einfach nur richtig guter Indie.
In alldem bettet Albertine Sarges gekonnt Zitate von namhaften Ikonen wie Anthony Bourdain, David Attenborough, A.C. Marias und Anne Carson ein – die Reichhaltigkeit des Albums endet damit nicht im Sound, sondern steckt der Platte tief in den Knochen.
Wer sich mit kantigerem, ambitioniertem Indie-Pop von Acts wie Sophie Hunger oder Kat Frankie (mit der Sarges bereits zusammenarbeitete) die Ohren verwöhnen lassen mag, wird mit diesem Album seine Freude finden.