Afrobeats setzten sich in den letzten fünf Jahren allmählich in Europa durch. Meist versteht man unter dem Sammelbegriff Fusionen aus Dancehall, Hip-Hop, Trap und einer Prise lokaler Elemente. Spurenelemente von Deep-House vernimmt man auch bei der quirligen Moonchild Sanelly und ihrem dritten Album „Full Moon“.

Die blauhaarige, südafrikanische Künstlerin von der Südkap-Küste steht in erster Linie für eine eigenwillige Kreation ohne gleichartige Interpreten. Das neue Album schenkt sie sich zu ihrem 40. Geburtstag, den sie diese Woche feierte.

Die meisten Tracks auf „Full Moon“ zielen auf sofortige Eingängigkeit. Andererseits fügen sie sich in keinerlei Hörgewohnheiten-Formel ein. Ähnliches mag man hie und da höchstens von Santigold vernommen haben, insbesondere diese einen netten Flirt mit Dancehall, Dub und Bassmusik hinlegte, wie auf „Spirituals“ punktuell und zuvor auf „I Don’t Want: The Gold Fire Sessions“ ausführlich geschehen.

Das war’s dann auch schon mit ‚Klingt-wie‘-Vergleichen. Ein Hip-Hop-Produzent als Bruder, Platzierungen im Vorprogramm von Rap-Acts und die Label-Heimat Transgressive in London verweisen auf andere Bezugspunkte: Nämlich zu alternativem Hip-Hop, R&B und Future-Soul, wie Mykki Blanco und Arlo Parks sie dort umsetzen.

Allerdings steht Moonchild Sanelly nicht nur geographisch für einen anderen Teil Afrikas. Sie stammt aus der Club-Kultur, ist keine Instrumenten-Künstlerin, sondern hält „Full Moon“ fast pur elektronisch.

Ihre Stücke kleistert sie dabei ordentlich mit ihrer Stimme zu. In die Harmonien und Beats versinken wie bei Amapiano kann oder soll man hier also angesichts der Dominanz der Worte wohl nicht.

Lyrisch teilt die Songwriterin jedoch wenig Erhellendes mit. Gerne breitet sie weibliche Präferenzen aus. Sie hören sich wenig feministisch an, sondern abgegriffen bis nymphomanisch: „I love shoulders / I need some height to climb“ lauten die simplen körperlichen Kriterien für die Partnerwahl.

„Rich nigga dick / don’t hit like a broke nigga dick / When you got it, you don’t beg any dick“, traktiert Moonchild Sanelly das Geschehen im Intimbereich. Anderswo heißt es: „He touched my thighs, and I melt (…) Where do I do submit? Cause his sex is lit“ oder „I just want it in between my legs, and between my thighs“.

„Thighs“ sind die Schenkel, ein zentrales Wort mehrerer Songs, und ums maskuline Geschlechtsteil geht es auch des Öfteren. Man hätte Spannenderes von einer sonst so innovativen Künstlerin erwartet und weniger Penis-Lieder von einer bisexuellen Person, die in ihrem Team nur queere Menschen anheuert und im Familienkreis missbraucht wurde.

Sex-positive Stimmen mit pornographischen Inhalten haben wir im Deutsch-Rap auch, siehe Yung FSK18 oder Ikkimel, wobei die Kolleginnen dann mehr sprachlichen Witz versprühen und manche den aktivistischen Anspruch klarer formulieren.

In sieben der 12 Nummern greift das Mondkind, das bürgerlich Sanelisiwe Twisha heißt, immerhin auf einen wirkungsvollen Trick zurück, wechselt zwischen Englisch und der südafrikanischen Sprache Xhosa.

Erst dort, wo die einstige Mode-Studentin tatsächlich mal eine belangvolle Geschichte erzählt, von einem nie anwesenden Vater, landet sie auch musikalisch den berührendsten Moment. „Mntanami“ heißt die interessante Ballade.

Einräumen kann man schnell, dass manche der neuen Stücke wirkliche Kostbarkeiten sind. „In My Kitchen“ macht Laune, kann einen leicht auf die Tanzfläche ziehen. „Do My Dance“ ist in seiner Ausgelassenheit zumindest musikalisch unwiderstehlich.

„Falling“ und das besagte „Mntanami“ verzücken als schöne Balladen. Der große Wurf wurde „Full Moon“ insgesamt gleichwohl nicht. Doch als Mixtape für nebenbei, ohne darüber nachzudenken, taugt und erfrischt das Werk.

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