Die Erinnerung an den Abschluss-Gig beim Reeperbahn Festival 2024 bringt große Erwartungen mit in den Goldenen Salon vom Hafenklang für das Konzert von eat-girls aus Lyon.
Mit 15 Minuten Verspätung fängt Museum Of No Art an. Der Raum ist nach anfänglichen Bedenken doch angenehm voll geworden. Die Vorfreude auf den Sound von eat-girls wird etwas aus der Bahn geworfen von den ersten Tönen. Rasselnde Kette aus Mandelschalen. Gesampelt und geloopt macht das auf einmal fast Sinn.
Mona Steinwidder sitzt alleine in der Mitte der Bühne am Boden. Mehrere Schichten von Klarinetten-Loops legt sie über das Rasseln. Schicht über Schicht entsteht ein komplexes, schmeichelndes Gebilde. Latent wabernder verzögerter Rhythmus kommt dazu. Ambient Industrial der späten 90er grüßt aus der Vergangenheit.
Die Schichten werden immer mehr. Glockenspiel, Holzschale mit Glaskugeln und eine Bassflöte (?) gesellen sich sukzessive dazu. Gegen Ende ein Kanon der Töne in Loops eingesungen, bevor sie einen Beat unterlegt und etwas Bewegung ins Publikum kommt.
Keine leichte Kost, aber zieht in den Bann. Das Publikum im Hafenklang ist speziell genug, das Werk zu honorieren. Applaus weit über dem Niveau bei den meisten Vorbands. Nur schade, dass sich alles auf dem Boden abspielt. So haben nur die ersten zwei Reihen etwas vom spannenden Handwerk.
Dann eat-girls. Stockfinster, einzige Beleuchtung sind Stirnlampen an den Körpern der drei Französinnen. „Tres Omens“. Nur Bass und eine Schlüsselkette zum Einstieg. Langsam weben sie leichtes Wummern ein, bevor die Melodie kommt. Zärtlich schüchtern der Gesang, unterschwellige Melancholie bestimmt den Raum. Erst zum Refrain gegen Ende kommt ein Funken Freude auf.
„Unison“ kommt elektronisch minimalistisch verträumt daher. Düster schummrig entwickeln sie die Dichte bis zum Finale mit A-capella-Charakter. Die Interpretationen weichen deutlich von der Aufnahme ab und das tut gut.
Auch bei „earthcore“ dominiert der Bass – mit zwei verknoteten Saiten gespielt. Bass, Stimme und sonst fast nix zu hören. Etwas mehr von der Elektronik wäre schön gewesen. Alles klingt geplant unsauber.
„On A Crooked Swing“ kickt und hebt den Energielevel. Das Geklimper auf der Gitarre dazu vermeintlich unbeholfen mit Verstand.
Die Dankes-Ansage an ihr Label Buerau B aus Hamburg eine der liebenswürdigsten der letzten Jahre. „Heute ist nämlich ein besonderer Tag, es ist die Release Show.“ Gefühlt mindestens die siebte für ihr Debütalbum „Area Silenzio„, das schon vor einem Vierteljahr veröffentlicht wurde.
Kurz später ihr „Tanzhit“ Canine. Applaus schon zu den ersten Takten. „Mia-mia-mia ouh! I’m your Cinderella. Mia-mia-mia ouh! You‘re pornstar supernova”. Was auch immer der Refrain hat, es gibt kein Entrinnen.
Es braucht weder klassische Gesangskunst, noch einen professionell choreografierten Bühnenauftritt, um hinreißend auf der Bühne zu sein. Spätestens jetzt ist das Publikum komplett abgeholt.
Noch keine ganze halbe Stunde ist vorbei und der Endspurt setzt schon ein. Sehr schade, dass das Album nur 37 Minuten hat.
Mit „Para los Pies Cansados“ treten eat-girls zappelig das Gaspedal. Alles verdichtet sich nochmal weiter. Unorthodoxes Hüpfen konkurriert mit lakonischer Stimme.
Für besonders intensive Stellen gibt es Szenenapplaus. Spätestens „Trauschaft“ und zu guter Letzt „A Kin“ verwandeln den Goldenen Salon in eine Tanzfläche. Die beiden längsten Stücke der Platte ziehen sie live noch mehr in die Länge.
„A Kin“ entwickelt sich zum Bass-Sturm. Die Gitarre gibt, gezupft mit einem durch die Saiten gewebtem Essstäbchen, den Rest. Sukzessive eskalieren die Lyoner. Zu dritt am Boden sitzend das klassische Abschluss-Noise-Gewitter. Feedbacks und alles, was die Effekte hergeben.
Stürmischer Applaus. Mehr als verdient. Sehr kurzer Auftritt, aber wird in Erinnerung bleiben. Dass das Trio seine Platte selber aufnehmen musste, versteht sich komplett, wenn man sie auf der Bühne gesehen hat.
DYI und Lo-Fi-Sound zwischen Wave, Elektro und ein bisschen Post-Punk. Mit viel Liebe und Überzeugung gespielt und vor allem authentisch und menschlich.