Anna ist der zweithäufigste weibliche Vorname im Geburten-Jahrgang 1999, dem auch die englische Singer/Songwriterin Anna B Savage angehört. Allerdings gab sie sich selbst dieses Pseudonym, welcher Name in ihrem Pass steht, ist unbekannt. Welchem Musik-Genre sie sich am meisten zugehörig fühlt, war bisher, bis zur neuen Platte „You & i are Earth“, auch ein Geheimnis.

Denn innerhalb einer kurzen Zeitspanne entwickelte sich Anna B Savage zur Marke für eine Kombination aus Ambient-Elektronik und elfenhaftem bis rauchigem Folk-Gesang. Seit im Lockdown-Winter Annas Debütalbum „A Common Turn“ erschien, reifte die cover- und experimentierfreudige Künstlerin zur etablierten Größe.

in|Flux“ spielte in der Titelgebung auf die Fluxus-Bewegung an, war aber weitaus mehr als die dafür typische L’art pour l’art-Selbstbeschäftigung, sondern eine schreibtherapeutische Auseinandersetzung mit eigenen Ängsten, Schüchternheit, Verletzlichkeit und persönlichen Tiefpunkten. Bevor sie „in|Flux“ anging, hatte die Künstlerin eine Therapie durchlaufen.

„You & i are Earth“ lässt sich in diesem Reigen als dritter Teil einer Coming-of-Age-Trilogie lesen. Und die Platte beantwortet die Frage nach der Genre-Zuordnung eindeutig zugunsten von Folk-Rock mit 70er-Jahre-Prägung, sowohl stilistisch als auch lyrisch.

Den spannenden Albumtitel mit der besonderen Schreibweise kann man romantisch im Sinne von Zweisamkeit auffassen, bei „Agnes“ zwischen Frauen. Mit einem Typen ohne Namen empfindet die Protagonistin in „Lighthouse“ Geborgenheit, Gemeinschaft. Er ist ihr ein „companion“.

Der Slogan „You & i are Earth“ ist uralt. In London wurde er in blauer Schrift auf einem weißen Teller aus dem Jahr 1661 gefunden. Auf einer Meta-Ebene lässt er sich so demütig wie tröstlich lesen, und so ist der Album-Titel gemeint: Wir – egal ob „you“ oder „I“ – wir sind alle nur Chemie, eine Sammlung von Molekülen, wie die Erde, „earth“, demzufolge alle miteinander verwandt, und wir gehören zum Planeten (auch wenn Elon Musk den Mars anstrebt).

Nun ist Anna B Savage zwar in der Gesellschaft angekommen, hat äußerlich ihren Platz gefunden, als Promi der Indie-Szene. Innerlich fühlt sich dieser Platz trotzdem isoliert an: Sie lebt quasi auf ihrem eigenen Planeten.

Doch es gelingt ihr phänomenal gut, ihr Inneres nach außen zu stülpen. Hier hilft ihre sehr direkte, nahe nach vorne gemischte Art zu singen. Ohne genau diese Stimme würde das Album wohl wenig aussagen. Man merkt das an kurzen wortlosen Zwischenspielen, die unbeholfen, verlegen wirken.

Holt Anna B Savage dann in knapp vier- oder fünfminütigen Songs zu einer folk-rockigen Dramaturgie aus, lässt ihr Gitarrenspiel schon mal ans Klopfende, Dynamische, unablässig Steigernde einer Joni Mitchell denken.

Der Gesang, so auch in „Mo Cheol Thú“, folgt, wie schon bisher, ebenfalls Mitchells kühler Expressivität und angejazzten Art oder, in „Agnes“, der naiv-theatralen Pose Kate Bushs.

In „Agnes“ entfalten sich eine treibende Rock-Energie und bezirzende Harmonie-Führung. Es ist der unwiderstehlichste Track. Feature-Gast Anna Mieke, irische Biochemikerin, heißt gesichert wirklich Anna. Sie fügt sich mit ihrem warmen und ruhigen Timbre großartig in die Aufnahme ein.

Wellenrauschen und eine Huldigung an die Nordwestküste Irlands gibt es im Schlusslied „The Rest Of Our Lives“: Sie heben auf die Beziehung zwischen Erde und Wasser ab. Um einen ausgewählten Flecken dort geht es Anna B Savage ganz besonders, und zwar um ihren Wahlheimat-Bezirk Donegal in Irland, dem das Album als „ein Liebesbrief“ dienen soll, wie sie sagt.

Innovativ ist das Album nicht. Das mag wohl auch gar nicht das Anliegen der Künstlerin sein, allerdings unterfordert die Musik rasch. Vor allem, wenn man aufgrund von „A Common Turn“ mit Vielschichtigerem rechnete.

Man kann eine gute Zeit mit „You & i are Earth“ haben, jedoch fehlt es an Überraschungen.

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