Als Michael Kiwanuka im Juni auf dem Glastonbury Festival nüchtern verkündete, dass er jetzt gleich einen gänzlich neuen Song vorspielen würde, war der Jubel in der Menge groß – nach drei Jahren des Wartens endlich neue Musik des britischen Künstlers.
Wie sich kurz darauf herausstellte, war das dort präsentierte „Floating Parade“ der Vorbote des nun erscheinenden, mittlerweile vierten und erneut von Danger Mouse und Inflo produzierten Longplayers „Small Changes“.
Mit jenem „Floating Parade“ startet auch das neue Werk. „We can’t be stronger than life itself“, singt Kiwanuka – und schon nach wenigen sanft wogenden Takten fühlen wir uns aufs Charmanteste entrückt. Auf Streichern in eine andere Welt?
So folgen wir Kiwanuka erneut in den Sound der 60er und 70er, der auch seinem bisherigen Oeuvre als zentrale Einflussquelle diente. Doch damit nicht genug. Die Reise scheint uns seicht und geschmeidig in fremde Zeitzonen eines parallelen Universums zu entführen.
„Out of time“ nennt Kiwanuka dies im – von einem wummernden Rhodes-Piano bedächtig getragenen – Titelsong. In dessen herrlichem Instrumentalpart wollen wir uns dem George Harrison alle Ehre machenden gently weeping der Elektrogitarre am liebsten anschließen.
Doch mag uns der Kiwanuka-Sound – seit dem grandiosen Debütalbum „Home Again“ sind 12 Jahre vergangen – noch so sehr zur Weltflucht verleiten, liefert der Eskapismus nur einen Teil der Erklärung für den außerordentlichen Erfolg des Londoners.
Durchwandern wir die skizzenartig dahingetupften Geschichten des 11 Tracks starken „Small Changes“, ist da viel mehr ein Zwiespalt zu erahnen, ein Hin- und Hergerissen-Sein zwischen Abkopplung und Vereinigung.
„Hide me from the noise / But I can′t stand the sound / Of silence, it′s so hard for me / I needed you around“, heißt es im lässig groovenden „The Rest Of Me“. Die Hoffnung, gemeinsam einen Ausweg zu finden, flackert immer wieder auf.
Michael Kiwanuka gelingt es auf „Small Changes“, an seinem einzigartigem Klanggemälde, das die BBC 2012 zum Sound des Jahres kürte, weiter zu zeichnen und gleichzeitig auch 2024 den Nerv der Zeit zu treffen.
Mit kunstvoller Sanftheit öffnet der 37-jährige einen Raum zwischen Nostalgie und Zuversicht, zwischen Resignation und Rebellion. Am Ende all dieser so präzise instrumentierten Stücke bleibt die Erkenntnis: Wir sind verloren – und sind es doch vielleicht nicht.