Das dritte Kapitel der Zusammenarbeit von Teho Teardo und Blixa Bargeld, die 2013 mit „Still Smiling“ eindrucksvoll begann und 2016 mit „Nerissimo“ noch stärker fortgesetzt wurde, liefert jetzt erneut wunderbar unkonventionellen Kammer-Pop vor der Kulisse italienischer Kulturgeschichte.
Der Titel „Christian & Mauro“ bezieht sich auf die bürgerlichen Vornamen der beiden Künstler. Einstürzende-Neubauten-Frontmann Blixa Bargeld, der eigentlich Hans-Christian Emmerich heißt und Teho Teardo, der im italienischen Pordenone als Mauro Teho Teardo geboren wurde, spielen sich hier die Bälle in einem suggestiv-freundschaftlichen „Du“ zu. Es ist im Grunde das Persönlichste, das man in ihrer Kunst bisher bekommen konnte.
Und so klingt auch die Musik dazu nie garstig, stets vertraut, zugeneigt, beinahe moderierend. Wie eine reizvolle Terra-X-Folge, die sich über den ganzen Globus erstreckt und am Ende bei den Phlegräischen Feldern angelangt, um zu erklären, was die Welt im Innersten zusammenhält.
„Von Schöneberg bis Island, von Boston bis nach Haus, von Pordenone bis Canberra hab‘ ich Umwege gebraucht“, singt Bargeld im reduzierten „Close Up“. Das ist viel mehr als ein Reisetagebuch, das die Heimatstädte der beiden Protagonisten streift. Es ist die Philosophie von kosmopolitischen Freigeistern. „Von der Hauptstadt bis zur Halbstadt mit Absturzrisiko“ heißt es weiter – einer dieser exemplarischen Wundersätze, wie sie nur Bargeld hinbekommt.
Tatsächlich klingt vieles an dieser kongenialen Partnerschaft nach dem Esprit der Neubauten, wenn die ihre perkussive Robustheit eindampfen und gegen explorative Streichinstrumente eintauschen würden.
Bargeld selbst bleibt bei seinem Duktus, wandelt aber noch ein gutes Stück unbedachter durch den Wechsel aus Deutsch und Englisch, als er das auf dem aktuellen Neubauten-Album „RAMPEN (apm: alien pop music)“ tut.
Bis hin zum absoluten Denglisch, für das man nicht nur die Gen Z so gern belächelt, sondern vor allem jene, die glauben, mit dieser Sprache den Anschluss an die Jugend halten zu können: „Der Bauer auf dem Trecker, Wikipedia-Fakten-Checker/ Berufsoffiziere, Bisogna Morire/ The Driver von Uber und famous Youtuber/ Trotz Spenderniere, Bisogna Morire.“
Dass es bei Bargeld trotzdem nie anbiedernd klingt, liegt an seinem völlig eigenen Sprechgesangsstil, der in seiner so harten wie pointierten Artikulation eine eigene Kunstform darstellt. Spenderniere hin, Bisogna Morire her.
Schließlich zitiert er im selben Stück noch das Partisanen-Lied „Bella Ciao“ und macht damit nicht nur den Sprachenwirrwarr, sondern auch das multikulturelle Spinnennetz perfekt, in dem man sich für den Rest von „Christian & Mauro“ so wunderbar verheddern kann. Ein Netz, das immer wieder auf Italien zurückfällt.
Und so bleiben der Berliner Sprachakrobat Bargeld und der italienische Komponisten-Freigeist Teardo auch bei ihrer dritten Kooperation ein intellektuell spannendes Konglomerat der Andersartigkeit, das obendrein das Fernweh stimuliert.