„Aus drei Minuten dreißig wird ein Vierteljahrhundert“. Lässt sich die Musik- und Liebesgeschichte von Joy Denalane und Max Herre trefflicher und kürzer beschreiben? Dieser Satz – von Max Herre in gewohntem Rapstil auf „Day One“ fallengelassen – ist vielleicht die Keimzelle des Albums, das Herre und Denalane, firmierend unter Max&Joy, nun vorlegen. „Alles Liebe“ heißt der Langspieler – der Name ist Programm.

Was vor 25 Jahren mit dem legendären R&B-Duett „Mit dir“ begann, entwickelte sich in den Folgejahren zu einer Erfolgsgeschichte. Beide wurden zu einflussreichen, politisch engagierten Musikgrößen – und gleichzeitig zum Liebes- und Elternpaar.

Dieser vielschichtigen Verbindung haben Max&Joy nun ein Album gewidmet, das uns schon mit dem ersten Klavier-Sample die Richtung weist. Das hier geht tief ins Herz – aber auch tief in die Vergangenheit.

Für diejenigen, die schon 1999 dabei waren, sind die gelassen wummernden Eröffnungsstücke – „Alles Liebe“, „Auf Tour“ und das mit Selbstzitaten gespickte „Bisschen Mehr Als Freundschaft“ – eine Reise zurück in der Zeit.

Die Rhymes sitzen noch immer, Rap und Gesang ergänzen sich aufs Behaglichste – und ist da wirklich ein Scratchen zu hören? Spätestens nach dem Gastauftritt des langjährigen Stuttgarter Rapkollegen Afrob scheint der Flashback perfekt.

Doch neben nostalgischem Kopfnicken gibt uns „Alles Liebe“ auch Gelegenheit, das Tanzbein zu schwingen. Hier ist das unbestechlich groovende „Skyline“ zu nennen sowie das von Sehnsucht durchzogene, an Peter-Fox-Dancehall erinnernde „Réunion“.

Unterbrochen wird der musikalische Fluss auf dem Album durch eine Reihe von Interludes, die hier – wie schon auf dem 1999 erscheinenden „Esperanto“ von Freundeskreis – Skits genannt werden. In diesen kommen verschiedenste Menschen aus dem Umfeld des Paares zu Wort.

All diese, von lounge-sessel-artiger Musik begleiteten, Zwischenstücke sind kleine Essays zum Thema Liebe. Dass Liebe in düsteren Zeiten auch eine Form des Widerstandes sein kann, wie die Journalistin Anna Dushime unterstreicht, sticht dabei hervor.

Und von hier aus gedacht – Liebe als Widerstand – entfaltet das Album seine zweite, wenn auch etwas weniger stark akzentuierte, Ebene. In „Mmina Tau“ – der Titel geht auf ein in Suthu verfasstes Gedicht zurück – wird dieser Ansatz am deutlichsten.

Begleitet von kraftvoll-stampfenden Beats betreten Max&Joy hier musikalische Barrikaden. „Das sind nicht die Zeiten, um zurückzuweichen“, heißt es in dem Song. Eine Kampfansage, eine Selbstbeschwörung.

So ist „Alles Liebe“ nicht nur ein gelungenes und bewegendes Album über die vielen Seiten der Liebe. Es ist auch ein Plädoyer dafür, sich für die im nächsten Vierteljahrhundert anstehenden Kämpfe mit Liebe und Solidarität zu wappnen.

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