Der Drum-Computer tickert und steigert sich, bevor Bass und sägende Gitarre zuschlagen. Und dann kommt die ernüchterte Verzweiflung. Patrick Wagner sieht die Welt „Schwarz Schwarz“. Der Einstieg in die zweite volle LP von Gewalt „Doppeldenk“ führt zurück in die unangenehme Vergangenheit der 7“es.

„Wir sind sicher“, „So geht die Geschichte“ kommen sofort in den Sinn. Es ist fatal. Alles ist fatal. Es ist nicht schwarz–weiß, weil es kein Weiß gibt. Der Wechsel von schwarzen auf rote Klamotten ändert da wenig.

„Egal, wohin der Wind Dich weht“ kracht sich in gewohnter Manier durchs Ohr in den Bauch. Der Refrain hymnenartig dystopisch. „Egal, wohin der Wind dich weht – halt Dich an Deiner Lüge fest“. Ob Ton Steine Scherben diese Neuinterpretation gutheißen könnten, bleibt dahingestellt. Hoffnung vor über 40 Jahren punktgenau transformiert in das Gegenteil.

„Felicita“ kracht etwas weniger. Das Hibbelige wird auf der Tanzfläche nicht weniger den Puls in die Höhe treiben.

„Das kann ich nicht“ wieder reduziert dumpf krachend.

Die Single „Kein Mensch“ thematisch wieder aufgenommen. Alles Negative in einen Topf geworfen. Wie lang kann die Liste der eklatanten Abscheu sein? Sexisten, Faschisten, Ängste, Vorurteile, Nazis, Patienten, Trennungen, Kunden, Rassisten, User, Callcenter, Soldaten, Rechnungen, Influencer, Zwangsvollstrecker. Und viele mehr. Alle sind im Haus.

„Ich sterbe hier. Fuck, ich muss hier raus. Da fällt mir auf, das kann ich nicht.“ Eigene Wahrnehmung oder ernst gemeinte Kritik? Die Grenzen verschwimmen. Overload, klingt vor dem düsteren Sound erstaunlich plausibel.

„Ein Sonnensturm tobt über uns“. Dramatisch abgeklärte Poesie. Existenz- und Besitz-Untergangsdramatik mit (für Gewalt) schmalzig-schunkeliger musikalischer Untermalung. Im Video Picknick mit Pferd (natürlich kackend), verabscheutes Status-Symbol BMW Cabrio. Dramatische Untermalung mit Saxophon. Musikalisch anders, aber doch konsistent.

„Jemand“ musikalisch zwischen den Anfängen von Gewalt und der Simplifizierung von DAF. „Und jemand hält die Welt in Atem. Und Jemand hält…“. Es stampft. Abrupt abgeklärt trocken: „Weil er kann.“ Zum weiteren Refrain „Und jemand hält die Welt in Atem. Weil man ihn lässt!“. Systemkritik trifft das Spiegelbild. Schwer, sich dem zu verschließen. Patrick Wagner trifft immer wieder subtil den emotionalen Punkt.

„Monolog einer Drohne“ eher ungewöhnlich in der Thematik. „Töten nach Protokoll.“ Lakonisch abgeklärter Gesang. Keine menschlichen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Abgründe zum Ausloten. Eine Drohne tötet mechanisch. Eine Drohne hat keine Emotionen. Die definierte Abwesenheit von Gefühlen macht das Stück zu einem der brutal emotionalsten der Bandgeschichte. Frauenstimmen im Hintergrund verstärken das subtil ins Unerträgliche.

„Trans“ maximal dreckig im Sound und schon länger als Single veröffentlicht. Wir tauchen wieder ein in die Tiefen der Unerträglichkeit des Lebens. „Gemacht aus Blut und Tränen.“ Wuchtige Worte findet Gewalt immer.

Überraschung. Eine akustische Gitarre begleitet den Drum-Computer? „Ne Ne. Alles gut“ baut sich auf. „Ich bin ja kein Nazi, aber sollen wir alle aufnehmen?“ Vielleicht die plakativste Zeile des Stücks. „Nichts ist OK. Ja!“ Der Chor stellt das nochmal klar, bevor eine Harfe die Platte beendet. Da wären wir nicht selber draufgekommen.

Musikalisch lässt sich nicht viel Neues zum Album “Doppeldenk” sagen. Gewalt halt. Wenig komplex, brachial intensiv, mitreißend und eigenständig. Wie schade, dass Jasmin Rilke am Bass aussteigt. Aber auch das werden sie überleben.

Es gibt keinen Ausweg – Tanzen ist garantiert. Und wenn man Patrick Wagner glaubt, tanzen wir alle in den Untergang. Die Feinheit der gesellschaftlichen Wahrnehmung beeindruckt. Persönlich, gesellschaftlich und global. Licht gibt es in dieser Welt nicht.

So einfach und überzeugend sich das beim Hören einfräst – die Absolutheit der Prophezeiung überholt sich selbst und macht Patrick Wagner selbst zum (gewollt) falschen Propheten. Hybris, so wichtig.

Ein großartig verstörendes, bipolares Werk!

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