Du sitzt im Auto und zappst die Radiosender durch und plötzlich merkst du: Da ist er wieder. Tom Walker, der Radiogott der gepflegten Mitbrüll-Hits, bringt uns mit seinem neuen Album „I AM“ die geballte Ladung dessen, was er am besten kann – brav, mainstream-tauglich und absolut ungefährlich.
Der Brite, der einst mit dem Brit Award als Best Breakthrough Act ausgezeichnet wurde, bleibt sich treu und präsentiert eine zweite Runde seines labberigen Einheitsbreis.
„I AM“ sitzt irgendwo zwischen melancholischem Power-Pop und Balladen, die weder weh tun, noch besonders überraschen. Wie schon bei seinem Debütalbum „What A Time To Be Alive“ setzt er auf Nummer sicher – zu sicher. Es fehlt der Pep, die Würze.
Statt einer Geschmacksexplosion gibt es aufgewärmtes Soundmaterial à la Hozier und Rag’n’Bone Man, aber ohne deren Tiefe. Kaum hat man einen Song verdaut, ist er auch schon wieder vergessen.
Selbst die obligatorischen EDM-Tracks wie „Burn“ und „Head Underwater“ klingen, als wären sie für den Spotify-Algorithmus gemacht, um sich nahtlos in die Playlist des Vergessens einzureihen.
Und für den nächsten emotionalen Moment in irgendeinem Trash-TV-Format sind „Holy Ghost“ oder „Kissed By God“ wie geschaffen – massenkompatibel, aber seelenlos. Walkers rauer Gesangsstil ist mittlerweile auch nur noch ein Mainstream-Klischee.
Letztlich bleibt nur eine Frage: Warum funktioniert das? Ist das die Zukunft der Popmusik, in der wir in schneller Abfolge weichgespülte Hits konsumieren, die uns nicht mehr berühren, sondern nur noch begleiten? Oder wollen wir wirklich nur noch Musik, die uns mit leicht verdaulichen „Ich-kann-das-so-nachfühlen“-Lyrics füttert?
Tom Walker weiß jedenfalls genau, wie er Songs produziert, die Gefühle auf Knopfdruck auslösen, ohne dabei allzu unbequem zu werden. Dabei geht es um die üblichen Themen: Familienprobleme, alte Beziehungen und der mentale alltägliche Kampf.
In einer Zeit, in der Erfolg im Mainstream davon abhängt, wie gut man sich anpasst, scheint Walker die perfekte Formel gefunden zu haben. Alles auf „I AM“ klingt wie ein Hit, und man kann sich schon vorstellen, wie die Songs die Single-Charts stürmen – ohne dabei irgendjemanden wirklich zu stören. Für den maximalen Erfolg hat er sich mit Zoe Wees zusammengetan und „Echoes“ im Rudimental-Stil auf die Tracklist gepackt.
Also hier die Warnung: „I AM“ wird überall laufen – im Radio, im Supermarkt und vielleicht sogar auf eurer nächsten Familienfeier.