Posthume Alben sind ja immer so ein zweischneidiges Schwert – oft als Geldmacherei abgestempelt und selten mit dem Respekt behandelt, den der verstorbene Künstler verdient. Auch bei SOPHIE schwingt Skepsis mit, obwohl ihr Bruder Benny Long die unvollendeten Tracks zusammengestellt hat, um ihr Andenken zu ehren.
SOPHIEs außergewöhnliches Talent, Musik zu schaffen, die Genregrenzen sprengte und in ihrer Einzigartigkeit sowohl die Pop- als auch die Avantgarde-Szene veränderte, war unbestritten.
Sie war nicht nur musikalisch eine Vorreiterin, sondern auch eine Ikone für die LGBTQ+-Community. Zu Lebzeiten war sie bekannt für Hyperpop-Meisterwerke – futuristisch, verspielt, mal himmlisch, mal maschinell. Ihr Gespür für Klangexplosionen machte sie zu einer der spannendsten Künstlerinnen unserer Zeit.
Kein Wunder, dass Künstler*innen weltweit Schlange standen, um mit SOPHIE zu arbeiten. Egal ob Madonna, Vince Staples oder Japans Pop-Queen Namie Amuro – jeder wollte ein bisschen von ihrem futuristischem Sound abhaben. Aber anstatt sich in der Hollywood-Welt zu verlieren, blieb SOPHIE ihrer eigenen Clique treu und holte sich für ihre Tracks lieber die Unterstützung von Charli XCX, Evita Manji, Cecile Believe, A.G. Cook oder Hyd (auch bekannt als QT) ins Studio.
Es tut in der Seele weh, aber das posthume Album “SOPHIE” fällt enttäuschend aus. Benny Long hatte die undankbare Aufgabe, das unfertige Material seiner Schwester zu einem Ganzen zusammenzufügen. Was herausgekommen ist, wirkt allerdings weniger wie eine stimmige Platte und mehr wie eine Sammlung von Skizzen und Fragmenten.
Besonders in der ersten Hälfte des Albums sticht dies negativ hervor. Tracks wie “Live in My Truth” mit BC Kingdom und LIZ oder “Reason Why” mit BC Kingdom und Kim Petras mögen zwar eingängig sein und den typischen Party-Flair von SOPHIE herauskitzeln, aber sie fühlen sich eher an wie halbfertige Ideen, die nie den kreativen Feinschliff bekamen, den SOPHIE ihnen gegeben hätte.
Es ist schwer vorstellbar, dass SOPHIE diese Songs in ihrer jetzigen Form veröffentlicht hätte. Ihre Musik war geprägt von Detailversessenheit und Experimentierfreude – Eigenschaften, die diesem Album leider weitgehend fehlen.
Man sehnt sich nach den kraftvollen, mutigen Klängen von “Oil Of Every Pearl’s Un-Insides” – doch stattdessen bekommt man ein Album, das im besten Fall wie ein B-Sides-Release und im schlimmsten Fall wie ein uninspirierter Versuch klingt, von ihrem Nachlass zu profitieren.
Natürlich gibt es Lichtblicke. Vor allem die zweite Hälfte des Albums hat ein paar Perlen zu bieten. Tracks wie “Exhilerate” mit Bibi Bourelly und “Love Me Off Earth” mit DOSS zeigen, dass SOPHIEs magische Berührung nicht ganz verloren gegangen ist.
Man muss Benny Long zugutehalten, dass er nicht aus kommerziellen Motiven gehandelt hat. Es ist offensichtlich, dass er seine Schwester ehren wollte, und das verdient Respekt. Doch am Ende bleibt das Gefühl, dass “SOPHIE” besser als EP oder SoundCloud-Dump veröffentlicht worden wäre, anstatt als vollwertiges Album.
Fans, die SOPHIEs einzigartiges Talent vermissen, sollten lieber auf ihre bisherigen Werke zurückgreifen – denn diese Veröffentlichung ist nicht die letzte, triumphale Reise, auf die wir alle gehofft hatten.