Während manche Alben wie ein Bat-Signal am Musikhimmel erscheinen und sofort die gesamte Bevölkerung aufhorchen lassen, ist „Harlequin“ von Lady Gaga eher wie der Joker. In einer dunklen Gasse von Gotham schleicht er auf dich zu, leise und unheimlich, bis er sich plötzlich tief in dein Bewusstsein bohrt und du merkst, dass er dir schon längst den Verstand verdreht hat.

Passend zur Metapher ist „Harlequin“ nämlich der musikalische Sidekick zum Soundtrack vom kommenden Film „Joker: Folie À Deux“, in dem Gaga in die Rolle einer der ikonischsten und verrücktesten Figuren aus dem DC-Universum schlüpft – Harley Quinn, aka Dr. Harleen Frances Quinzel.

Vergiss die clubtauglichen Ohrwürmer von früher. „Harlequin“ ist ein kunstvoller Sprung in die Welt des Theaters, Jazz und einer gesunden Prise Wahnsinn.

Gaga jongliert mühelos mit verschiedenen Genres, als wäre es völlig selbstverständlich, von einem klassischen Jazzstück direkt in eine broadway-reife Showeinlage zu wechseln – und das alles mit einer Zirkus-Atmosphäre, die perfekt zu Harley Quinn passt.

Richtig spannend wird es, wenn sie altbekannte Klassiker einmal komplett auf links dreht und in eine Show für die Manege verwandelt. Mit dabei: das Gospel-Lied „When The Saints Go Marching In“, Charlie Chaplins „Smile“ oder „If My Friends Could See Me Now“ aus dem Musical Sweet Charity.

Der Song „Happy Mistake“ ist das Herzstück des Albums und eine kraftvolle Ballade, die Lady Gaga gemeinsam mit ihrem langjährigen Kumpel BloodPop produziert hat. Hier zeigt sie einmal mehr, dass sie nicht nur eine außergewöhnliche Sängerin, sondern auch eine brillante Songwriterin ist.

Die rohe Emotionalität ihrer Stimme durchdringt jede Zeile, und die Intensität dieses Songs hebt ihn deutlich vom Rest von „Harlequin“ ab. Im Kontrast zu den spielerischen Covern auf der Platte entfaltet „Happy Mistake“ eine emotionale Tiefe, die mühelos als eine ihrer besten Balladen in die Gaga-Historie eingehen könnte.

„Harlequin“ ist definitiv nicht für jedermann – und genau das macht den Charme aus. Gagas unerschrockene Experimentierfreude, die fast schon an Method Acting grenzt, könnte Fans ihrer typischen Dance-Hymnen überraschen.

Doch wer bereit ist, in Harley Quinns chaotische Gefühlswelt einzutauchen, wird belohnt. Eine wilde Mischung aus Jazz, Musical und einem Hauch Rock verschmilzt zu einem Sound, der unerwartet gut funktioniert.

Dass Gaga Jazz liebt, hat sie ja bereits mit ihren Alben mit Tony Bennett bewiesen – also keine Überraschung, dass sie hier nochmal tief in die Jazz-Trickkiste greift.

Am Ende bleibt „Harlequin“ vielleicht nicht als Gagas größtes Werk in Erinnerung, aber es ist ein weiterer Beweis für ihre unglaubliche Vielseitigkeit. Wer bereit ist, sich auf dieses künstlerische Abenteuer einzulassen, wird die Tiefe und den Witz des Albums zu schätzen wissen.

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