Tanzen. Das ist ja gerade hierzulande so eine Aktivität, die sich die meisten nur bei gestiegenem Alkoholpegel und im Halbdunkeln trauen. Die anderen Menschen könnten ja komisch gucken. Wenn man da beispielsweise nach Lateinamerika schaut, wo zu jeder Tages- und Nachtzeit alle rhythmisch ihre Hüften zum Salsa schwingen und dabei keiner an Scham oder Körperklausigkeiten denkt, sondern einfach an pure Lebensfreude, könnte man glatt neidisch werden.

Aber Ezra Collective, obwohl auch in Europa beheimatet, tun es den Lateinamerikaner*innern zumindest in dieser Hinsicht gleich. Denn „Dance, No One’s Watching“ appelliert genau an diese intrinsische Freude, die dem Tanzen eigentlich innewohnt, wenn man sich nicht darum schert, wie man gerade dabei aussieht. Und hey, wer ist nicht schon mal zu seinem Lieblingstrack alleine durchs Wohnzimmer getanzt und hat sich danach besser als vorher gefühlt?

Auch zu solchen Aktivitäten eignet sich das dritte Studioalbum des Londoner Quintetts, das vergangenes Jahr als erste Jazzband den renommierten Mercury Prize gewann, ganz hervorragend. „God Gave Me Feet For Dancing” ist so ein Track, zu dem es sich nur schwer stillsitzen lässt. Der Groove ist einfach zu gut und so leistet man dem Refrain nur zu gerne Folge: „God gave me feet for dancing / and that’s exactly what I’ll do“.

Von diesem smoothen Jazz, der auf die Playlist jeder Kellerbar gehören sollte, geht es im Anschluss mit „Ajala“ direkt zum kollektiven Ausrasten. Und auch „Shaking Body“ ist so ein Song, bei dem der Name Programm ist.

Dass Ezra Collective bei ihrer Musik konstant sämtliche Genres mischen und mühelos die verschiedensten Rhythmen miteinander kombinieren, wird zu keiner Sekunde anstrengend. Auch das muss man erstmal schaffen.

Ezra Collective beherrschen beide Enden des Spektrums in Perfektion: Die flackernden, schnellen Afro-Beat-Eskapaden, die inneres Stroboskoplicht auslösen, genauso wie die schummrig intimen Engtanz-Nummern, bei denen es einem nicht nur dank des potenziellen Whiskeys in der Kellerbar ganz warm wird. Das ist beim Titeltrack zu Teilen auch Feature-Artist Olivia Dean zu verdanken, die den Song mit ihrer souligen Stimme exquisit verfeinert.

Der Albumtitel ist also eine selbsterfüllende Prophezeiung. Bei derart energetischer Musik hält es selbst den größten Tanzmuffel nicht auf den Stühlen.

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