Mit „Carnage“ produzierten Nick Cave und Warren Ellis  Exkurs um die Kernthemen Liebe, Abgrund und Erlösung in einem kammermusikalischen Rahmen und auch die letzten Bad-Seeds-Ausgaben klangen entkernt, waren die Band-Kollegen eher stille Begleiter in den Arrangements der beiden Schriftführer.

„So wie sich Gott verändert, so verändert sich die Musik“ sprach Nick Cave zur Inspiration für das neue Werk und verkündete vorab „Die neue Platte wird absolut nicht nach Ambient klingen, aber ich sehe nicht, dass man einfach zum Rock’n’Roll zurückkehrt. Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich das machen soll“.

Rock’n’Roll erwartet von ihm und seinen Best-Agern sicher niemand mehr ,und selbst wenn vorab der Titelsong „Wild God“ Teile des Gospelaffinen von „Abbattoir Blues/The Lyre Of Orpheus“ mit dem Kathedralischen eines „Skeleton-Tree“-Titeltrack zu vereinen schien, in „Long Dark Night“ leise die „When-I-First-Came-To-Town“- Dramaturgie von „Henry`s Dream“ schlummert und die „Cinnamon Horses“„Ghosteen“-Sattel tragen:

„Wild God“ setzt einmal mehr neue Akzente in einer langen Karriere. Nick Cave And The Bad Seeds packen eine Platte ins Regal, auf der sie als Kollektiv mit beeindruckender Souveränität einen intensiven Sound kreieren, in dem die Stücke – vom konventionellen Aufbau Strophe/Refrain losgelöst – in einem mäandernden Rhythmus erzählen, sich die Harmonien fragmentieren, um später den Faden wieder aufzunehmen.

Weitschweifige Melodien finden sich neben reduzierten Pianothemen, haftet beiden Formaten im Verbund mit dem Charisma des australischen Frontmanns eine feierliche Aura an, sind die zehn Album-Teile dabei – bei allem Dunklen, von den sie zu berichten wissen – mit einer positiven Dynamik geflutet.

Donnernde Chöre und ein exzellentes Bad-Seeds-Orchester lassen auf „Wild God“ Euphorie und Einhalt im selben Haus wohnen. Das stellenweise Skizzenhafte, mit dem Teile von „Push The Sky Away“ unterlegt waren, transportiert dato „Conversion“ bis zum Moment, in der sich eine Klangeruption entlädt.

Es fällt hingegen das opulente Klangkonstrukt von „Song Of The Lake“  bis auf die Drums zusammen; wo „As The Water Cover The Sea“ organisch vor sich hin plätschert, brummt im Anita-Lane-Nachruf „O Wow O Wow (How Wonderful She Is)“ der Voice-Decoder.

Demut, die Nick Cave als Abkehr an von der „Tyrannei des Rationalen“ versteht, füllen seine Zeilen, hat der 66-Jährige die Furche seiner Verluste mit Zuversicht geschlossen und ist in der Lage, Trauer in Freude verwandeln.

Ein Rat, den auch der Geist in „Joy“ in petto hat und Nick Cave via Red Hand Files längst nicht zum „Final Rescue Attempt“, wohl aber zum Ansprechpartner für Lebenskrisen machte.

„If you’re feeling lonely and if you’re feeling blue, and if you just don’t know what to do, bring your spirit down!” – solange Nick Cave And The Bad Seeds dazu spielen, sollte das weder „Frogs“ noch Menschen schwerfallen.

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