„The punks on the playlist are crooning for kindness, asking ‚why can’t we all just get along?'“ (aus „Long Throes“) Ja, wieso können wir das eigentlich nicht? Die Waliser Kombo Los Campesinos! schickt sich nach etwas mehr als sieben Jahren an, ein Lebenszeichen zu senden. In kleinerer Umbesetzung liegt 2024 das Album „All Hell“ vor.

Ist ja auch frustrierend, wenn sich seit 2008 der große Erfolg, den man sicher verdient hat, nicht einstellen will. Ja, die Band war stets etwas unter dem Indie-Rock-Radar unterwegs, konnte aber in den USA kleinere Erfolge feiern.

Für Freunde von Indie-Rock und Postpunk ist das Album alles andere als die Hölle, eher wird sie ganz schnell zum Himmel auf Erden. Luftige Akkorde und treibende Rhythmen spielen Fangen mit Hymnen und drängenden Fragen unserer Zeit.

Zum Sprachrohr gleich mehrerer Generationen wird Sänger Gareth Davids, wenn er mit dem Zeigefinger auf den Kapitalismus und die Umweltverschmutzung deutet, zwischenmenschliche Themen wie Freundschaften und Fußballspiele zum Thema macht – nur, um festzustellen, dass wir letztendlich alle sterben müssen.

Auf dem 15 Tracks starkem Album kommt keine Langeweile auf, denn humorvoll und tiefsinnig sorgen Los Campesinos! für genug Kurzweil und großartige Emotionen, die uns lange in Erinnerung bleiben.

„The Coin-Op Guillotine“ erobert schon als Opener die Herzen mit Indie-Rock-Melodien und Davids hohem, aber oft nölenden Gesang. „All the assholes in this town“ treibt das folgende „Holy Smoke (2005)“ mit leichtfüßigem Punk vor sich her, bevor wir im Chorus von „A Psychic Wound“ mit einstimmen und dem besungenen Wettbewerbsdenken nachgeben.

Den roten Teppich zum Indie-Olymp rollt „Long Throes“ aus, dass Davids – begleitet von Hosiannagesängen und den eingangs erwähnten Zeilen – zu höheren Weihen führt.

Diese führt „Feast Of Tongues“ fort, dessen Streicherintro mit Davids emotionalem, klarem Gesang croont. Der stete Spannungsbogen aus einsetzenden Saiten, mehrstimmmigen Gesang und Punkattitüde lässt den Titel letztendlich implodieren.

Dieses Echo instrumentaler Wucht und dem eindringlichen Gespür für Eingängigkeit zieht sich fortan durch das Album. „The Order Of the Seasons“ kopiert das vorhergehende Erfolgsrezept bis zur Perfektion.

„To Hell In A Handjob“ packt uramerikanischen Emorock aufs Buffet von „All Hell“. Motiviert nölend resümiert man „me and my friends are sick of each other“, lässt die Emotionen im Refrain hoch kochen und bittet zum Tanz im Pit.

Progressiv mäandernd lässt „Clown Blood; Or, Orpheus Bobbing Head“ nur kurzzeitig ein Durchatmen zu, bevor Punkrhythmik die Extremitäten in Bewegung versetzt.

Dass man mit Kim Paisey über eine fähige Sängerin verfügt, zeigt das rohe, Saiten gniedelnde „kms“, dessen Takt deutlich reduziert ist, dafür mit einem intensiven Chorus aufwartet.

Über den verfügt auch „Moonstruck“. Eine mehrstimmige Hymne verführt dazu, den Mond anzuheulen und ums Lagerfeuer zu reigen, bevor die ersten zarten Sonnenstrahlen den neuen Tag erwecken.

Den Höhepunkt der Tanzbarkeit zelebriert jedoch „0898 HEARTACHE“. Die Gitarren hängen am Firmament und lassen Sänger Davids zunächst die Meute einschwören, die sich wenig später schwitzend in den Armen liegen wird.

Den Blick in den Spiegel am nächsten Morgen sollte man sich manchmal sparen, sonst könnte man es mit dem finalen „Adult Acne Stigmata“ zu tun bekommen, das sich als folkiger Poptrack aber auch nicht dafür eignet, Werbung für Hygieneartikel akustisch zu begleiten.

„All Hell“ ist gut. Verdammt gut. Wohl das Beste, das wir dieses Jahr mit dem Aufkleber Indie-Rock und Postpunk versehen können. Los Campesinos! klingen nach sieben Jahren amerikanisierter als je zuvor, so dass auch das überstrapazierte Emoprädikat verteilt werden kann.

Also: „Why can’t we all just get along?“

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