Mit 28 geht Amira alias Ami Warning zwar nicht mehr als Millenial durch. Das Lebensgefühl vieler ausgebrannter und überforderter junger Menschen teilt sie jedoch auf ihrem neuen Album „Auszeit“.

Nach zwei Alben auf Englisch („Part Of Me“, „Seasons“) und zwei auf Deutsch („Momentan“, „Kurz Vorm Ende Der Welt“) bleibt die Münchnerin bei ihrer Muttersprache.

Waren die bisherigen Scheiben in erster Linie introspektiv und die Melodien darauf minimalistisch mit einem Hauch Düsternis, so machen sich jetzt eingängigere Akkord-Verläufe und mehr Schwung breit.

Die Texte stehen über den skizzierten Problemen. Eine Lösung bieten sie in der Regel nicht, sie rufen aber zur Gelassenheit auf. Somit kann man die Platte als Ratgeber von Ami an jüngere Zeitgenossen lesen. Eine entsprechende Schlüsselzeile steckt im Intro zum Song „Rastlos“: „Gib mir den Moment zurück, ich vermiss das kleine Glück.“

Neu im Vergleich zu bisher sind Gäste. Sie kommen aus der regionalen Hip-Hop- und Elektro-Pop-Szene, zum Beispiel Fatoni oder Oehl aus Österreich. Die Summe der Eingeladenen passt genau zu Amis Stilkreuzung. Sie selbst ist sicher keine Rapperin, sondern viel mehr eine sehr ausdrucksstarke Sängerin.

Ami Warning identifiziert sich aber schon lange, seit der Arbeit an „Momentan“, mit der Produktionsweise von Hip-Hop. Daher ziehen die Musikbetten unter ihrem Gesang in Richtung basslastiger Loops.

Konsequent oder eintönig geht die Künstlerin dabei nicht vor. Da gibt es die eine oder andere Sequenz mit Akustikgitarre oder Trompete. Dort, wo Rap-Kultur regiert, atmen die Beats klassische Hi-Fi-Resonanz aus der Golden Era des Hip-Hop und geben sich nicht mit der heutigen Zweckdienlichkeit des Trap zufrieden.

Rapper Fatoni stellt im Song „war dabei“ eine Trennung aus seiner Sicht dar, Ami sie aus ihrer Sicht, um beide Perspektiven unterzubringen. Während er nach dem Motto „aus den Augen – aus dem Sinn“ die Beziehung abgehakt hat, wirkt sie zerknirscht und resigniert. Ami stellt die Situation des Neuanfangs in ihrer Stimme recht geknickt dar.

Isabella Mola von der Band Mola aus der bayerischen Landeshauptstadt ist 35 Jahre alt. Im Stück „Liebe ist laut“ sorgen sie und Ami für Club-Atmosphäre. Die Grooves mischen Disco zur Zerstreuung zwischen all die Fragezeichen und philosophischen Ergründungen des Albums.

Unterm Strich funktionieren durchgehend alle Nummern als sehr schöne und mitsingbare Pop-Perlen. Sie benutzen bildstarke Szenarien, in denen sich viele Personen wieder finden werden, und die Strophen lassen sich so leicht erfassen wie die Refrains.

Zugleich lässt sich Ami Warning auch ihre musikalische Sozialisation mit Vater Wally anmerken. Er war einer der ersten karibischen Einwanderer in der BRD, der ab 1980 Musik veröffentlichte. Karibisch inspirierte Trip-Hop-Rhythmik findet sich in fast allen Songs.

Damit lässt sich dann auch entspannt buchstäblich eine „Auszeit“ nehmen. Selbst wenn man das Album nicht wie in „Meer Will Ich“ an der Küste hört.

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