Beschäftigt man sich auch nur rudimentär mit der jüngeren Geschichte Nigers, ist es keine Überraschung, dass der Tuareg-Blues von Mdou Moctar so politisch aufgeladen ist.

Alleine während der US-Tour des Gitarristen 2023 war für eine Weile keine Rückkehr in seine westafrikanische Heimat möglich, da ein Putsch durch rechtsextreme Kräfte das Land in weiteres Chaos stürzte.

Aber auch die postkolonialen Leiden des Landes sind ein großes Thema in Moctars Musik. Das war auf seinem Debütalbum “Afrique Victime” von 2021 bereits der Fall, auf “Funeral For Justice” wird der Drang nach politischen Proklamationen umso stärker.

Wie etwa in “Oh France”, das die noch heute zu spürenden Auswirkungen der französischen Kolonialzeit aufzeigt und die ehemaligen Kolonialherren aufs Schärfste kritisiert.

Oder in “Imouhar”, in dem Moctar seine Tuareg-Mitmenschen nahezu anfleht, ihre Tameshek-Sprache und damit einen eigenen Teil ihrer Identität nicht einfach so für das Französische aufzugeben.

Der Schmerz von “Funeral For Justice” rührt allerdings auch aus Afrika selbst her: Moctar singt vehement gegen Anführer seines Kontinents an und lässt seine Gitarre gegen all jene singen, die ihre Völker für ihren eigenen persönlichen Profit in Armut und Unruhe leben lassen.

Seinen Gefühlen macht der Frontmann mit seinem sehr eigenen Gitarrenspiel Luft: Irgendwo zwischen Jimi Hendrix und traditionell westafrikanischen Einflüssen braut Moctar einen psychedelisch frenetischen Stil zusammen.

Bluesig und entspannt wird es dabei hin und wieder, bevor der Staudamm bricht und die vielschichtigen Riffs walten lässt. Was der Gitarrist nicht durch seinen Gesang ausdrücken kann, spricht er klar und deutlich durch sein kraftvolles und selbstbewusstes Gitarrenspiel.

Dabei klingt “Funeral For Justice” zwar konfrontativ und voller impulsiver Energie, allerdings nie kopflos. Moctar macht zu jeder Zeit klar, worum es ihm geht.

Geht seine Band in einem der vielen Jams mit seinen für westliche Ohren möglicherweise gewöhnungsbedürftigen, aber dennoch spannenden Rhythmen auf, ist die Konzentration aufs Wesentliche in jeder Sekunde zu spüren.

Das macht aus dem zweiten Album des Tuareg-Gitarristen ein fokussiertes, starkes und aussagekräftiges Werk, das trotz all seiner Ausgewogenheit genug Platz für Wut und Frustration lässt.

Die Energie von “Funeral For Justice” steckt an, sie beschleunigt den Herzschlag, sie lässt an Moctars Emotionen teilhaben. Und auch, wenn man die Worte, die der Frontmann singt, nicht kennt: Man versteht ihn dennoch.

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