Man muss dazu stehen, dass man auch mal gegen die Wand fährt – Wilhelmine im Interview

Als neuer Stern am hiesigen Deutsch-Pop-Himmel funkelt Wilhelmine irgendwie ein bisschen heller als die ähnlich gestrickten Kolleg*innen. Vielleicht liegt es daran, dass die ungefilterten Alltagserfahrungen der gebürtigen Berlinerin etwas mehr berühren als das gängige Herzschmerzallerlei der Branche. Mit ihrem zweiten Studioalbum „Meere“ will die junge Sängerin nun den nächsten Schritt gehen. Kurz vor der Veröffentlichung des Werkes trafen wir uns mit Wilhelmine zum Interview und sprachen über private Listening-Sessions, die beste Freundin und das Leben in Berlin.

MusikBlog: Wilhelmine, ist die Aufregung vor der Veröffentlichung deines zweiten Albums größer als vor dem Erscheinen deines Debüts vor zwei Jahren?

Wilhelmine: Erschreckenderweise irgendwie schon. Ich hatte vor der Veröffentlichung meiner ersten Platte immer ein nervöses Augenzucken. Das habe ich diesmal zwar nicht. Aber ich spüre ziemlich viel Druck, den ich mir in erster Linie aber selber mache. Ich bin halt gespannt, wie die Leute auf die neuen Songs reagieren.

MusikBlog: Gibt’s denn von irgendwoher schon Feedback?

Wilhelmine: Ich war am letzten Wochenende mit meiner Familie und meinen besten Freunden in meiner kleinen Gartenlaube. Dort haben wir ein bisschen gewerkelt und auch schon mal in die neuen Songs reingehört. Das war schon ziemlich cool und auch emotional.

MusikBlog: In meiner Wahrnehmung unterscheidet sich dein Deutsch-Pop vor allem auf der atmosphärischen Ebene von dem anderer Künstler*innen. Entsteht dieser Sound einfach ganz automatisch, wenn du dich mit deinem Produzenten Daniel Schaub im Studio einschließt?

Wilhelmine: Das ist cool, dass du das so wahrnimmst, denn wir haben uns gerade bei diesem Album viele Gedanken darüber gemacht, wie wir bestimmte Stimmungen erzeugen können. Wir haben uns viel mit passenden Übergängen und besonderen Klangelementen, die sich akzentuiert auf dem ganzen Album wiederholen, beschäftigt. Das war mir schon ziemlich wichtig.

MusikBlog: Das erste Album hieß „Wind“. Nun lautet der Titel „Meere“. Spielen die Grundelemente in deinem Leben eine besondere Rolle?

Wilhelmine: Ich habe meinem ersten Album den Titel „Wind“ gegeben, weil ich den Wind eigentlich gar nicht mag. Mit „Meere“ verhält es sich ähnlich. Ich gehe nicht gerne schwimmen, aber ich habe viel Respekt vor der Kraft des Wassers. Ich finde die Idee irgendwie cool, dass ich einen Titel habe, mit dem ich mich eigentlich nicht so wohl und verbunden fühle, dann aber mit der Musik irgendwie dagegen steuern kann.

MusikBlog: Was war diesmal die größte Herausforderung für dich?

Wilhelmine: Auf dem letzten Album blicke ich zurück. Diesmal geht es eher um das Hier und Jetzt. Ich wollte nicht vertuschen, dass es mir in aktuellen Momenten auch mal ziemlich scheiße geht, dass ich mich unter Druck fühle und mich ständig vergleiche. Normalerweise neige ich dazu, meinen Songs immer irgendwie ein positives Ende zu verpassen. Diesmal ist es aber anders. Die Songs enden auch mal mit einem knallharten Statement. Es ist wichtig, dazu zu stehen, dass man auch mal gegen die Wand fährt und keine schnelle Lösung parat hat. Diese Haltung und diesen Weg konsequent in der Musik umzusetzen, war die größte Herausforderung.

MusikBlog: Ich habe zwei Songs auf dem Album entdeckt, die mich besonders ansprechen. Zum einen ist da der Song „Paula“, ein Lied über deine beste Freundin. Was ist das Besondere an Paula?

Wilhelmine: Paula ist einfach ein Mensch, der konsequent sein Ding durchzieht. Ich kenne niemanden, der so zielgerichtet ist wie Paula. Sie ist mutig und steckt voller Überraschungen. Mal arbeitet sie plötzlich in Shanghai in einer Redaktion. Dann dreht sie auf einmal ein Film über einen Wrestler, oder sie arbeit als Bademeisterin im Prinzenbad. Man weiß irgendwie nie, was bei ihr als Nächstes passiert. Das macht sie so einzigartig.

MusikBlog: Der andere Song heißt „Frei“. Da geht es um den Großstadtzauber von Berlin, der einen Menschen aber auch mal schnell verschlucken kann. Wurdest du schon mal von Berlin verschluckt?

Wilhelmine: Auf jeden Fall. Als ich wieder nach Berlin zog, wurde ich erstmal komplett erschlagen von all den verschiedenen Möglichkeiten, die dir die Stadt bietet. Ich musste mich selbst erstmal sammeln und orientieren. Wo wollte ich landen? In welchen Kiez sollte es gehen? Was waren meine Ziele? Ich war ziemlich überfordert, als ich nach meiner Zeit im Wendland wieder in Berlin ankam. Mittlerweile fühle ich mich aber wieder richtig wohl in der Stadt. Ich habe eine kleine Wohnung in Kreuzberg. Nicht weit weg davon habe ich eine kleine Gartenlaube, wo ich Kraft tanken kann. Alle meine Freunde wohnen relativ nah. Es passt alles ziemlich gut gerade.

MusikBlog: Demnächst geht es wieder auf Tour. Definierst du dich als Künstlerin vor allem live auf der Bühne?

Wilhelmine: Ich liebe die Zeit im Studio. Aber am wohlsten fühle ich mich auf der Bühne, wenn ich den direkten Austausch mit meinem Publikum habe. Das ist unersetzlich. Wenn ich mich nach dem Konzert ins Publikum mische, dann ist es immer ein schönes Gefühl, wenn sich Leute mit meiner Musik und meinen Texten auch aufgrund ihrer eigenen Geschichten und Erfahrungen identifizieren können.

MusikBlog: Ich habe irgendwo gelesen, dass du wohl mal ganz gut kicken konntest. Wärst du ohne die Musik heute eine Fußballerin?

Wilhelmine: Oh, ich denke, ich wäre wahrscheinlich eher eine Köchin in einem Gartenrestaurant.

MusikBlog: Als Berlinerin und ehemalige Fußballerin muss ich dich natürlich zum Abschluss noch fragen: Schlägt dein Rundlederherz für die Roten oder für die Blauweißen?

Wilhelmine: Ich bin eine Unionerin. Eine gute Freundin von mir arbeitet dort. Ich bin auch öfter mal im Stadion. Das ist schon ziemlich cool in der Alten Försterei.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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