Katie Crutchfield ist in ihrem Leben schon weit gekommen, sowohl karrieretechnisch, als auch in ihrer persönlichen Entwicklungsreise. Das Überkommen von schwierigen Beziehungen, ihr Kampf weg vom Alkoholkonsum – alles hat die Sängerin in ihrem Schaffen als Waxahatchee dokumentiert.

Auch hat sich die Art ihres musikalischen Storytellings verändert: Waren es gerade anfangs noch die indie-lastigen, rockigen Folk-Eskapaden, die an die Zeiten von P.S. Eliot mit ihrer Zwillingsschwester Allison erinnern, hat sich Waxahatchee davon weitestgehend distanziert.

Der deutlichste Bruch fand auf dem fünften Album “Saint Cloud” von 2020 statt, auf dem Crutchfield ihr gefühlvolles Songwriting fast ausschließlich in sanftem Country-Folk gebettet hat, der trotz traditionellem Americana-Einfluss frisch und modern wirkte.

Das liegt auch an der nüchternen und kitschlosen Instrumentierung, die es konsequent schafft, in Maßen aufzutreten und nie zu dick aufzutragen. Vornehmlich liegt es aber am gereiften Erzählstil, der nahbar und schlüssig wirkt und die Dinge mit Weitsicht betrachtet.

“Tigers Blood” ist durchaus als nahtlose Erweiterung dessen zu betrachten, denn Waxahatchee erhält ihre Erzählweise vom Vorgänger aufrecht und justiert nur in Details nach. Mehr braucht es nämlich auch nicht für ein mitreißendes, persönliches, aber nie allzu schweres Album.

Instrumental dominieren weiter akustische und elektrische Gitarren mit sanfter Spielart, gestützt von ebenso unaufgeregten Banjo- und Klavier-Einsätzen, die zwar nicht innovativ, aber doch wohlig warm sind und sich den jeweiligen Songs ideal anpassen.

“Evil Spawn” ist da einer der vergleichsweise aufbrausendsten Songs – ein leises Echo der vergangenen Indie-Rock-Zeiten, aber gesamtheitlich doch eher ein entspanntes Stück Country-Pop mit Crutchfields besonnener, fester Stimme.

Darauf folgt ein Track wie “Ice Cold”, auf dem die Americana-Schiene mit sonnigen Melodien und lieblichem Doppelgesang zuschlägt – und das erfreulich kitschlos. Waxahatchees Songwriting-Fähigkeiten haben sich über die Jahre zu einem fokussierten Ungetüm entwickelt, dem man nichts entgegensetzen kann.

Das gilt auch, wenn man in den Inhalt von “Tigers Blood” eintaucht. Diesmal geht es zwar nicht um große, lebensverändernde Prozesse und Ereignisse, dafür aber um bessere und klarere Entscheidungen im Leben, die man früher vielleicht nicht getroffen hätte.

Zurückzublicken und zu merken, wie schlecht man oft mit sich selbst umgegangen ist, kann schmerzhaft sein. Waxahatchee tut es trotzdem – zum einen, um sich selbst vor Augen zu führen, wie weit sie in ihrem Leben gekommen ist.

Zum anderen aber auch, weil sie über viele Jahre die Stärke entwickelt hat, sich nicht von vergangenen, schweren Lebenszeiten herunterziehen zu lassen – im Gegenteil, Crutchfield geht gestärkt aus diesen Erfahrungen heraus und zeigt, vielleicht zwar noch mit einem leicht zynischen Ton, aber dennoch willens- und charakterstark, wer sie heute ist.

“Tigers Blood” kann vieles: Es kann nebenher spielen und leichte, country-eske Unterhaltung bieten, es kann aber auch als persönliches Manifest stehen, das vergangene Fehler anerkennt, akzeptiert und daraus gelernt hat.

Beides schafft das Album meisterhaft. Waxahatchee hat die künstlerische Nische gefunden, in der sie sich wohlfühlt – und es bleibt spannend zu sehen, was sich daraus noch entwickeln wird.

Eine Antwort

  1. Großartig geschrieben. Vielen Dank!
    Ich liebe Waxahatchee. Sowohl auf ihren alten LoFi Alben als auch ihre neue Liebe mit Saint Cloud und Tigers Blood. Passt perfekt in meine geliebte Philly-Szene um War On Drugs und Kurt Vile.
    Damals hätte sie Kurt Vile in Köln supporten sollen. Ihren Auftritt hat si kurzfristig abgesagt.

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