„It’s all now / Isn’t it exciting“, sind wahrscheinlich nicht unbedingt die Zeilen, mit denen ein Großteil der Gesellschaft seinen derzeitigen Gemütszustand beschreiben würde. Die meisten sind wahrscheinlich eher der Meinung, dass gerade viel zu viel passiert und haben das geflügelte Wort „Weniger ist mehr“ längst als Wunsch für die Zukunft notiert.
The Staves hingegen proklamieren im euphorischen Titelsongs ihres vierten Albums „All Now“ ebenjene optimistischen Zeilen und es liegt nicht nur an den ersten Frühlingssonnenstrahlen, die den Winter langsam vertreiben und für eine irrationale Injektion an Optimismus sorgen, dass dieser Funke überspringt.
Schon besagter Opener besticht durch seinen organischen Aufbau: Was mit simplen Synthies und Gesang beginnt, der sich Stück für Stück weiter übereinander schichtet, mündet in einer epischen, feministischen Hymne, deren Aufforderung „aggressively free“ zu sein, man nur zu gerne nachkommt. „We can stick it to the man / And come out fighting”. Nicht nur wegen der Kombination aus mehreren Frauenstimmen werden hier boygenius-Vibes wach.
Sowieso ist das ein angebrachter Vergleich, obwohl The Staves generell eine Spur poppiger daherkommen und sich zu keiner Zeit ganz so roh und minimalistisch zeigen, wie beispielsweise eine Phoebe Bridgers in „Letter To An Old Poet“. Am nächsten würde dem wohl die Ballade „Recognise“ kommen, die allerdings ein bisschen mehr in Richtung Kitsch abdriftet.
Aber auch auf „All Now“ ist Selbstermächtigung ein wichtiges Thema. Da wäre zum Beispiel „Make A Decision“. Hier gehen Text und Musik Hand in Hand. Diese Unsicherheit, die früher oder später Selbstsicherheit weicht; die flirrenden Gitarren, der schüchterne Gesang, der schließlich von einem Gitarrensolo und ein paar Schlagzeugfills verstärkt wird.
„I’ll Never Leave You Alone“, dessen Titel man als stalker-eske Drohung oder liebevolles Versprechen deuten könnte, macht mit Lagerfeuerromantik, Akustik-Gitarre und jeder Menge Besen am Schlagzeug schnell klar, dass hier definitiv von Zweiterem die Rede ist.
„Great Wave“ ist ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie gut es den zum Schwestern-Duo geschrumpften Staves gelingt, Songs aufzubauschen und wieder in sich zusammenfallen zu lassen. Der Anfang aus Basslinie, dumpfem Schlagzeugbeat und glasklarem Gesang hat etwas Mystisches, das in absolutem Kontrast zu dem energiegeladenen Refrain steht.
The Staves machen klar, dass sie sich von der Welle keinesfalls durchschleudern lassen, sondern diese stattdessen, im übertragenen Sinne, mit dem Surfboard bezwingen.