Über die Jahre hat Tom Jenkinson alias Squarepusher vieles, wirklich sehr vieles getan und sich damit einen gewissen Ruf erarbeitet. Natürlich einmal als nie wirklich ruhendes Arbeitstier, aber auch als Elektro-Pionier im England der 90er machte sich der Produzent einen legendären Namen.

Wie hätte die IDM-Szene nur damals ausgesehen ohne Jenkinson, der seinen Einfluss geltend machte? Und wie sähe die EDM-Welt damals wie heute nur ohne ihn aus? Man mag es sich gar nicht erst vorstellen, wie der zeitgenössische UK-Rave ohne Squarepusher wäre.

Nur eine Sache bremste den Künstler signifikant, wie es kaum eine Sache vermochte: Die Corona-Pandemie, die ab 2020 die Welt zum Stillstand brachte, machte auch einer kurz bevorstehenden, gigantischen Squarepusher-Tour durch die Welt zum damals neuen Album „Be Up A Hello“ ein vorzeitiges Ende, und Jenkinson musste zur Abwechslung still halten.

Diese forcierte Pause war gewiss ungewohnt – am Ende stellte sie sich aber als ungewöhnlich willkommene Zäsur heraus, in der Elektronik-Produzent auch mal ungestört arbeiten konnte. Wann war das schon zuletzt der Fall?

So konnte Jenkinson die neuen, glitchy frenetischen Drum-and-Bass-Jungle-Jazz-Acid-Tracks ganz in Ruhe aufbauen, niederreißen und neu konstruieren – bis sein 15. Squarepusher-Album „Dostrotime“ auf einmal existierte und mit der elektrischen Zappelei begann.

Doch nicht gleich zu Beginn: Die Platte bekommt mit den drei „Arkteon“-Zwischenspielen an Anfang, Mitte und Ende ein grobes Skelett, das den Freak-Rave von „Dostrotime“ nicht in den völligen Elektro-Anarchismus gleiten lässt.

Denn die drei Stücke kommen als harter Einschnitt daher, indem sie gar nicht hart sind und nur aus kurzen, lieblichen Harmonien auf sanft gezupften Gitarren bestehen. Sobald diese allerdings ausklingen, geht Jenkinson an die Arbeit.

Die zeigt sich etwa in „Enbounce“ in epischen Synths, die die Basis für einen sich immer und immer weiter aufbauenden Track darstellen. Immer mehr hyperaktive Beat-Parts gesellen sich dazu, die den Herzschlag immer weiter hochdrücken.

Über sechseinhalb Minuten treibt Squarepusher immer weiter voran, lässt immer noch melancholische Harmonien spielen, geht aber im folgenden „Wendorlan“ in die völlig frenetischen Räume mit blubbernden Synths, dissonanten Sounds und bis zum Wahnsinn pushenden Beats.

Man spürt, dass Jenkinson in seinem Element ist, wenn völlig hektische Glitch-Effekte sich symbiotisch mit wilden DnB-Beats vereinen und so den Puls hochschießen lassen. Trotz des EDM-Tohuwabohu ist aber immer eine klare Linie erkennbar, an der man niemals völlig verloren geht.

Dennoch ist „Arkteon 3“ ein willkommener, sanfter Abschluss von „Dostrotime“, an dessen Ende man in Ruhe überlegen kann, ob man sich noch einmal in diese unruhige, instabile Welt stürzen möchte. Zwar benötigt man dafür einiges an Energie – aber der Trip ist so sehens- und hörenswert wie kein zweiter auf dieser Welt.

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