Acht Jahre ist es her, dass die Swans das letzte Mal live in München gespielt haben (Michael Gira war jedoch mit seinem langjährigen Freund Kristof Hahn 2022 auf Tour und machte im Amerikahaus Halt). Seitdem hat sich im Swan’schen Universum viel getan und doch auch wieder nicht.

Oberschwan Michael Gira hat die Band in der letzten Besetzung aufgelöst und Norman Westberg und Thor Harris durch Dana Schechter und Larry Mullins ersetzt, die früher schon bei Giras Projekt Angels Of Light dabei waren.

Entsprechend hat sich auch die Musik auf den beiden Alben nach dem Neubeginn „leaving meaning.“ (2019) und „The Beggar“ (2023) etwas weg vom ultraharten No-Rock hin zu melodiöserem Folk orientiert, ohne jedoch den Swans-typischen Sound zu verlieren, der sich so markant in das Gehirn ihrer Fans eingebrannt hat, dass sie jeden neuen Song sofort der Band zuordnen könnten.

Auch die gestern im Münchner Feierwerk gespielten neuen Stücke wie „I Am A Tower“, „Guardian Spirit“, „Away“, „Red Yellow“ oder „Birthing“ wirkten in der Setlist neben „The Beggar“ oder „The Hanging Man“ wie befreundete Geschwister und fügten sich nahtlos aneinander.

Live klingen Swans schon immer deutlich brutaler als auf ihren Alben, nicht nur wegen der enormen Lautstärke. Aber so schaffen sie auch ein unvergessliches Erlebnis, eine Singularität, die dem Publikum in Erinnerung ruft, was Musik, insbesondere die der Swans, in seiner grenzenlosen Kreativität schaffen kann.

„Auf der Bühne will ich eine Situation kreieren, dass die Musik die Steuerung übernimmt, nicht ich. Darum geht es – in der Musik aufzugehen.“, sagte Michael Gira vor einigen Jahren im Interview und genau diese Erfahrung schafften er und sein perfekt eingespieltes Ensemble auch gestern wieder, bei konstant rotem Bühnenlicht, damit nichts von dem magnetisierenden Geschehen auf der Bühne ablenkte.

Trotzdem versuchte Gira natürlich, seine Mitstreiter*innen zu dirigieren, meistens im Sitzen (immerhin ist er letzte Woche 70 geworden) mit seiner linken Hand, wenn er zum Publikum mit seiner Gitarre saß oder – im Stehen und mit großen Bewegungen – direkt zur Band gewandt, hauptsächlich zu Schlagzeuger Phil „Phillipio“ Puleo und Bassist Christopher Pravdica (den er übrigens auf Deutsch als „seine Frau“ vorstellte).

In diesen Momenten mündete der intensive Instrumentaleinsatz, unter dem Anfeuern von Michael Gira, in ein minutenlanges Inferno.

Dazwischen diente die Musik eher als Untermalung für Giras schamanenhafte Spoken-Word– oder besser gesagt Shouted-Word-Performance, bei der er wie ein Prediger minutenlang klagend in den Saal rief. Teilweise wurde das ergänzt durch indigene Laute, hervorgerufen durch entsprechendes, fast schon wie eine Selbstgeißelung wirkendes, Schlagen auf die Wange, was das Publikum etwas irritiert zurück ließ.

Nach 2,5 Stunden tosenden Musikrausches war das musikalische Ereignis, man kann jetzt schon sagen – des Jahres, beendet und die Zuschauer*innen wieder zurück gerissen in eine banale Realität, der sie für einen kurzen, kostbaren Moment und doch eine kleine Ewigkeit entrinnen konnten.

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