Chelsea Wolfe – She Reaches Out To She Reaches Out To She

Alkohol ist oftmals ein schwieriges, ambivalentes Thema. Einerseits ist es ein allgemein akzeptiertes und sogar kulturell signifikantes Genussmittel – und das schon fast so lange, wie es die Menschheit selbst gibt. Andererseits werden dadurch allerdings auch die negativen Aspekte der Droge verharmlost und verherrlicht: Alkoholismus ist nach wie vor eine potenziell gefährliche Sucht und viele Menschen haben Probleme mit einem gesunden Konsum – wenn es den überhaupt gibt.

Chelsea Wolfe war einer dieser Menschen: Die Songwriterin trank schon seit ihren frühesten Jugendjahren und lernte dadurch nie wirklich, wie man den Konsum in ein richtiges Maß einschränkt.

Nach eigenen Angaben setzte die Kalifornierin zu sehr auf den Alkohol, um mit sich selbst und ihren Gefühlen im Reinen zu sein. Mit den Arbeiten zu ihrem siebten Studioalbum “She Reaches Out She Reaches Out She” änderte sie diesen Umstand aber.

2021, also zwei Jahre nach der Veröffentlichung des folkig-düsteren “Birth Of Violence” gab Wolfe den Alkohol vollständig auf und machte eine persönliche Reise durch, an deren Ende sie gefestigt und ohne Rauschmittel in sich horchen und fühlen konnte.

Ihr aktuelles Album “She Reaches Out To She Reaches Out To She” ist die Verarbeitung dieser Zeit und verpackt die Abstinenz in elektronisch schummernde Trip-Hop-Songs, die Wolfes Gothic-Folk-Rock-Ethos in neue Dimensionen hieven und dabei herrlich nach Gänsehaut, Angst und emotionalen Abgründen klingen.

Die Depeche-Mode-Einflüsse werden offensichtlich, wenn wabernde Synthesizer sich über langsam trabende Drumcomputer legen und die Basis für Wolfes bittersüßen, hohen Gesang bereiten. Was im sonst so erdigen, akustischen Kontext funktioniert, trägt hier ebenfalls tiefschwarze Früchte.

Mal ist es ein schleppender und bedrückender Track wie “Everything Turns Blue”, mal ein treibendes und intensives Tempo wie in “House Of Self-Undoing” – aber was die zehn Songs verbindet, ist ihre Energie, die tief in Wolfes Gefühlswelt blicken lässt.

Auf “She Reaches Out She Reaches Out She” setzt die Sängerin den inneren Kampf mit sich selbst und ihrer Abstinenz herrlich in Szene, beleuchtet die dunklen und die kämpferischen Momente eindrucksvoll und bewegt sich dafür auch aus ihrer Komfortzone heraus.

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