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Da kann ich ankommen, aber auch wieder aufbrechen – Mine im Interview

Fernab von durchkalkuliertem Deutsch-Pop aus den Federn von Mark Forster, Vincent Weiss, Lea und Co., füttert eine wie Jasmin Stocker alias Mine nun schon seit vielen Jahren Hörermäuler mit musikalisch ausgeprägterem Anspruchsdenken. Auch auf ihrem neuen, mittlerweile fünften Studioalbum „Baum“ lässt die gebürtige Schwäbin durchschaubare Strukturen außen vor und tobt sich dafür lieber abseits der gängigen Branchennorm aus. Kurz vor der Veröffentlichung des neuen Longplayers trafen wir uns mit Mine zum Interview und sprachen über heilende Songwritingprozesse, technoide Inspiration und bevorstehende Live-Freuden.

MusikBlog: Jasmin, im Pressetext zu deinem neuen Album sprichst du von einem „Neuanfang“ und einem „retrospektiven“ Faden. Welche Kapitel konntest du schließen und welche Türen haben sich dann in der Folge geöffnet?

Mine: In den letzten Jahren ist einfach unheimlich viel passiert in meinem Leben. Ich bin nicht nur Mutter geworden, sondern habe auch irgendwie gelernt, mich so richtig wohl in meinem Körper zu fühlen. Da hat sich ein ganz neues Selbstbewusstsein entwickelt. Ich würde sagen, dass ich in meiner kleinen Bubble, in der ich lebe, noch nie so glücklich war, wie aktuell.

MusikBlog: Fällt es dir in so einer Phase leichter, neue Songs zu schreiben?

Mine: Das würde ich so nicht sagen. Ich bin jemand, der grundsätzlich erstmal aus einer Situation raus muss, um darüber schreiben zu können. Wenn ich beispielsweise mal eine depressive Phase habe, dann kann ich in der Zeit sehr schlecht arbeiten. Ich muss das Ganze erst verarbeiten und verstehen, um dann später daraus Musik machen zu können.

MusikBlog: Wenn wir mal bei den eher schlechteren Phasen bleiben: Dient die Musik später dann als eine Art Heilungstool?

Mine: Ja, absolut. Ich kann in solchen Phasen nur ganz schlecht über meine Gedanken und Gefühle sprechen. Mit Musik geht das aber immer wunderbar. Das war auch schon früher so. Das ist so mein kleiner Bahnhof – da kann ich ankommen und aber auch wieder irgendwohin aufbrechen.

MusikBlog: Lass uns über die musikalische Ausrichtung deines neuen Albums „Baum“ sprechen. Es gibt unheimlich viel zu entdecken. Genretechnisch ist das alles nicht wirklich greifbar, und dennoch ist da ein dicker roter Faden zu erkennen. Was hat dich diesmal musikalisch inspiriert?

Mine: Ich habe viel klassische Musik gehört. Ich habe aber auch viele technoide Sounds für mich entdeckt, mit denen ich früher irgendwie so gar nicht warm geworden bin. Ich bin generell ein sehr neugieriger und offener Mensch, wenn es um neue Musik geht. Ich finde es cool, wenn sich neue Trends entwickeln und Sachen in den Pop hineinschwappen, die man sonst vielleicht nicht so auf dem Schirm hat. Ich gehe auch gerne auf Konzerte von Leuten, die ich gar nicht kenne. Das finde ich unheimlich spannend. Manchmal nehme ich dann eine prägnante Bassline oder einen ganz bestimmten Sound mit als Inspiration nach Hause.

MusikBlog: Du hast vorhin erwähnt, dass du Mutter geworden bist. Hat dich dieser Umstand als Künstlerin verändert?

Mine: Nein, überhaupt nicht. Die einzige Sache, die sich dadurch wirklich verändert hat, ist das Zeitmanagement. Früher war es so, dass ich eine Idee hatte und mit diesem Flow sofort arbeiten konnte. Heute ist das nicht mehr möglich. Ich kann bei einer spontan aufbrechenden Songidee nicht mehr so einfach alles stehen und liegenlassen. Das funktioniert nicht. Ich muss also schauen, dass ich den Flow irgendwie konserviere. Das war auch die größte Herausforderung für mich.

MusikBlog: Apropos Herausforderungen: Du hast auch diesmal wieder einige interessante Gäste mit dabei. Hast du diesbezüglich ein bestimmtes Anforderungsprofil?

Mine: (lacht) Nein, gar nicht. Ich arbeite einfach gerne mit Leuten zusammen, die ich auch persönlich total abfeiere. Mit Madanii habe ich ja schon öfter was gemacht. Wir kennen uns schon ziemlich lange. Wir waren ja auch letztes Jahr zusammen auf Tour. Mauli habe ich durch seinen Podcast „Die wundersame Rapwoche“ kennengelernt. Der ist so herrlich intelligent und sarkastisch. Das war eine große Freude mit ihm. Und Léonie Pernet habe ich tatsächlich einfach über Instagram angeschrieben, weil ich ihre Musik super finde. Das hat dann auch echt geklappt, was mich heute noch total wundert.

MusikBlog: Du hast schon mit unheimlich vielen verschiedenen Künstler*innen zusammengearbeitet. Welche Kollaboration hat dich rückblickend am meisten beeindruckt?

Mine: Das kann ich gar nicht sagen, die waren alle toll und vor allem alle auch super unterschiedlich. Wenn ich an gemeinschaftliches Arbeiten denke, dann muss ich auf jeden Fall meinen langjährigen musikalischen Begleiter Marcus Wuest erwähnen, von dem ich so unfassbar viel gelernt habe. Mit ihm habe ich angefangen zu produzieren. Nahezu mein komplettes Produktions-Equipment ist eins zu eins von ihm übernommen. Wir sind da wirklich eine krasse Einheit. Ich denke, dass ich ohne Marco heute nicht da wäre, wo ich bin.

Musikblog: Du hast auch zwei richtig coole Chor-Einschübe (Kieler Knabenchor, ffortissibros) mit auf dem Album. Wie kam es denn dazu?

Mine: Ich wollte schon immer mal mit echten Chören zusammenarbeiten. Diesmal hat es endlich geklappt, worüber ich wirklich total glücklich bin. Gerade so ein Kinderchor ist unheimlich schwierig zu finden. Meist hat ein guter Kinderchor ja nicht allzu viel mit Weltmusik zu tun. Oder aber er ist so gut, dass er permanent ausgebucht ist. Das war wirklich nicht einfach. Und bei den Jungs von ffortissibros war es so, dass ich mal einen kleinen Live-Schnipsel von ihnen geteilt habe, aber ohne Hintergedanken. Daraus hat sich dann aber schnell eine Social-Media-Connection entwickelt, die letztlich zur Kollaboration geführt hat.

Musikblog: Das klingt auf Platte schon ziemlich cool und außergewöhnlich. Live wäre das natürlich der Hammer, oder?

Mine: (lacht) Also, eigentlich darf ich das ja noch nicht verraten, aber da arbeiten wir gerade ganz fleißig dran. Es wird wohl nicht für die komplette kommende Tour klappen, aber bei einigen ausgewählten Shows werden auch Chöre live zu bestaunen sein. Da freue ich mich auch schon riesig drauf.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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