Viele Acts fahren ziemlich gemütlich mit der Strategie, den typischen Sound ihres jeweiligen Genres Teil für Teil zu reproduzieren. Das ist zwar wenig innovativ, dafür aber oft sehr erfolgreich. Sen Morimoto auf der anderen Seite steht mit seinem dritten Album für maßlose Kreativität. Das kann überfordern oder begeistern und oft auch beides zugleich.
Der japanische Jazz-Rap-Musiker (!), der mittlerweile in Chicago wohnt, konnte sich mit seinem sehr ungewöhnlichen Sound schon auf den ersten beiden Platten einen Namen machen. “Diagnosis” ist nun das nächste – man kann es nicht anders sagen – Großwerk dieses Ausnahmetalents.
Ein wenig fühlt sich dieses Werk an wie eine Songsammlung diverser Musiker, die zwar einer gewissen Grundstimmung zugeschrieben sind, aber eben grundsätzlich unterschiedliche Musik machen.
Wie sonst könnte ein einzelner Musiker in der einen Minute noch psychedelischen Rock spielen (“If The Answer Isn’t Love”), im nächsten chor-getragenen 00er Jahre Pop (“Bad State”) und Stakkato-Rap (“Diagnosis”), nur um bei malerischem R&B (“Deeper”) anzukommen?
Es ist einfach ein Rätsel, wie ein Musiker all diese Vielfalt vereinen kann und sie in einen bizarren Zusammenhang stellt. Zwar mag eine grundsätzliche grau vernebelte Stimmung über der ganzen Platte liegen, doch die permanenten Richtungswechsel in puncto Sound können definitiv Kopfschmerzen verursachen.
Wer sich auf dieses Erlebnis einlassen kann und will, findet eine wirklich phänomenale Platte vor, die weder vor Opulenz noch vor intimem Storytelling zurückschreckt. Sowohl geradlinige Ohrwürmer als auch vollkommen strukturzersetzende Jams finden in dieser Platte einen Platz.
All das spielt Sen Morimoto mit einer beeindruckenden Leichtigkeit und Virtuosität und klingt oft wie die ganz Großen:
Im Conscious Rap mit Jazz-Anleihen (“Pressure On The Pulse”) durchaus auch mal nach der Grandezza von Kendrick Lamar, zwischen den klassischen Instrumenten von “Naive” wie Frank Sinatra und Zeitgenossen.
All das macht aus “Diagnosis” ein gänzlich überraschendes und doch auch immer sehr behutsames Stück moderner Musikgeschichte, das definitiv jedes Reinhören verdient hat.