„Do you wanna see a dead body?“ Ab der ersten Sekunde des Openers „Ask The Community“ wird man von einer entblätternden Direktheit überrumpelt, die sich durch das ganze Album ziehen wird. Der siebte Longplayer „Lovage“ der kanadischen Band Timber Timbre ist getränkt von tiefschwarzem und zynischem Humor.

Das letzte Werk „Sincerely, Future Pollution“ liegt mittlerweile sechs Jahre zurück und war auffallend stark von Vintage-Synthesizern und 80s-Pop geprägt.

Diese Einflüsse finden sich auch „Lovage“ wieder, treten aber deutlich in den Hintergrund. So gerät das neue Album wieder organischer und minimalistischer und schließt auch an „Hot Dreams“ aus 2014 an.

Für das aktuelle Line-Up seines Bandprojekts Timber Timbre holt sich Taylor Kirk als Kopf des Kollektivs diesmal Mike Dubue und Adam Bradley Schreiber ins Boot. Im Studio in Quyon (Quebec) gelang dem Trio ein verschrobenes und morbides Klangbild.

Neben Brian Wilson, Leonard Cohen und Nick Cave nennen sie auch Sun Ra, Dorothy Ashby und Alice Coltrane als maßgebende Einflüsse für „Lovage“.

In verschiedenen Schattierungen aus Folk, Blues und Indie legt sich stets ein geisterhafter und rezitativischer Gesang über zarte Klavierakkorde. Repetitive Melodien und Textpassagen werden als hypnotisierendes Stilmittel eingesetzt.

Wider besseres Wissen huldigen Timber Timbre dem Dopaminrausch. „Sugar Land“ ist eine triviale Ode an die euphorisierende Wirkung des weißen Goldes: „I can’t stop eating sugar, no, I can’t stop, so I won’t stop, why should I?“ Karies klang nie poetischer.

„Confessions Of Dr. Woo“ beginnt vielversprechend romantisch, biegt aber zwischen Dr. Jekyll, Mr. Hyde und Frankenstein in eine dunkle und verlassene Gasse ab. Als längster Song auf „Lovage“ geben sich Timber Timbre drei Minuten lang einer instrumentalen Kaskade aus fortlaufenden Hi-Hats, blubbernden Synths und feindseligen Gitarren hin.

Als diabolisches Präludium legt sich der Instrumentaltrack „800 Pristine Corpses“ wie Nebelschwaden auf einen spärlich beleuchteten Friedhof. Ein Funken Wehmut mischt sich unter das tonnenschwere Unbehagen, welchem man sich dennoch ausgiebig hingeben möchte.

„Mystery Street“ stampft dagegen heiter zwischen Chorpassagen, Tamburin und Traumdestination. „Holy Motors“ rattert und kratzt und richtet sich an alle Verstoßene, Ausgeschlossene und Missverstandene.

Und „Lovage“ als Titeltrack und Epilog umschmeichelt mit Blechbläsern aus der Ferne und einer versöhnlichen Erkenntnis: „Barely held togehter just like everything else“

Möchte man also „Lovage“ mit einem Meme beschreiben, so käme der folgende Comic-Strip in Frage. Ein Hund sitzt am Tisch mit einer Tasse Kaffee, das Zimmer steht in Flammen und der Hund sagt lächelnd: „This is fine.“

Und eigentlich ist absolut gar nichts in Ordnung auf „Lovage“, aber Timber Timbre schaffen es, dass es so klingt, als ob. „Lovage“ ist ein kontrastreiches Schau(er)spiel aus süßlichen Instrumentierungen und überspitzten Texten. Timber Timbre liefern ein ganzjähriges Halloween-Musical in schwarz-bunt voller Romantik und Groteske.

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