Dann lass ich die Dinge einfach geschehen – Gregory Alan Isakov im Interview

Auf der Suche nach dem perfekt passenden Arbeitsprozess fand Gregory Alan Isakov schon zu Beginn seiner Karriere alle Antworten in seinem tiefsten Inneren. Statt sich einer Songentstehung konzeptionell zu nähern, ließ der gebürtige Südafrikaner die Dinge einfach so laufen. So entstanden bis zum Jahr 2018 vier markante Folk-Alben, die all jenen ein Lächeln ins Gesicht zaubern, die mit zarten, sehr melodischen und bisweilen auch sehr melancholischen Sounds etwas anfangen können. Fünf Jahre nach seinem letzten Studioalbum „Evening Machines“ meldet sich Gregory Alan Isakov mit seinem sechsten Longplayer „Appaloosa Bones“ zurück. Kurz vor der Veröffentlichung des Albums trafen wir uns mit dem Songwriter zum Interview und sprachen über fließende Prozesse, heilende Zeiten und die größte aller Hürden.

MusikBlog: Greg, „Appaloosa Bones“ ist ein sehr markanter und außergewöhnlicher Albumtitel. Kannst du uns mehr verraten?

Gregory Alan Isakov: Als die Musik in mein Leben trat und ich meine ersten kleinen Shows hatte, spielte ich häufig in einem kleinen Laden namens „Appaloosa Grill“. Irgendwie haben mich die neuen Songs an diese Zeit erinnert. Die ganze Art und Weise, wie ich damals angefangen habe und wie sich die ersten Songideen verselbständigt haben: Dieses Gefühl war sofort wieder da. Irgendwie passte der Titel dann perfekt – nicht nur zum Song, sondern auch zum ganzen Album.

MusikBlog: Wenn ich deine Musik höre, dann habe ich immer das Gefühl, dass da jemand ganz ungezwungen und völlig befreit zu Werke geht. Ist dem so?

Gregory Alan Isakov: Das ist sehr interessant. Eigentlich wollte ich eine eher dreckige Lo-Fi-Folk-Platte machen. Aber irgendwie übernehmen die Songs ab einem gewissen Punkt das Kommando – und dann lass ich die Dinge einfach geschehen.

MusikBlog: Hast du vor der Studiozeit eine Demo-Phase, in der du schon mal vorarbeitest?

Gregory Alan Isakov: Ja, ich mach das zu Beginn eigentlich immer so. Diesmal hatte ich ungefähr 30 Demos und Ideen, mit denen ich arbeiten wollte. Nach einer Zeit heben sich dann die wirklich guten Sachen ab. Dann sortiert man aus, überlegt, welche Parts das Zeug haben, um auf einem Album zu landen. Manchmal holt man auch noch ganz alte Ideen aus dem Archiv und nimmt sie mit dazu. Das ist auch diesmal passiert. Zwei Songs auf dem Album basieren auf Ideen, die schon ewig in meiner Schublade lagen. Irgendwann ist die Zeit dann aber reif – und dann passt es.

MusikBlog: Gibt es musikalische Inspiration von außen, die dich auf diesem Prozessweg begleitet?

Gregory Alan Isakov: Ich höre immer sehr viel Musik, auch wenn ich mit meinen eigenen Sachen beschäftigt bin. In den letzten Monaten habe ich viele instrumentale Sachen gehört. Da war auch sehr viel Jazz dabei. Manchmal habe ich mir tagelang nur eine Platte von Town Van Zandt angehört. Das ging dann so weit, dass sich meine Freundin darüber beschwert hat und irgendwann fragte, ob wir nicht endlich auch mal etwas anderes hören könnten. (lacht) Diese Musik fühlt sich für mich immer sehr heimatverbunden an. Dabei geht es aber nur um das Gefühl, das man hat, wenn man sich zuhause fühlt. Ich möchte mit meiner Musik ein ähnliches Gefühl entfachen.

MusikBlog: Du hast während des Aufnahmeprozesses erneut mit Andrew Berlin (Rise Against) zusammengearbeitet. Was macht diese Konstellation besonders?

Gregory Alan Isakov: Andrew und ich, wir sind so etwas wie musikalische Seelenverwandte. Wenn wir uns sehen und zusammenarbeiten, dann reden wir eigentlich nicht viel miteinander. Wir lassen die Arbeit und die Musik sprechen. Das ist ziemlich schwer zu erklären, denn Andrew ist ein unglaublich talentierter Toningenieur und ein Meister seines Fachs. Aber wir halten uns nur selten mit Detailgesprächen auf. Wir fühlen einfach, was wir fühlen. So eine Ebene zu erreichen, ist schon etwas ganz Besonderes.

MusikBlog: Wir müssen natürlich auch kurz über die vergangenen fünf Jahre reden. Dein letztes Album erschien noch vor der Pandemie. Wie hast du die Zeit der Lockdowns und der Isolation erlebt?

Gregory Alan Isakov: Um ehrlich zu sein, ich habe diese Zeit richtig genossen. Versteh mich nicht falsch, da draußen ist ganz viel Schlimmes passiert und Millionen Menschen mussten viel Leid ertragen. Aber wenn ich nur auf mich schaue, dann muss ich gestehen, dass es eine sehr schöne und auch inspirierende Zeit war. Ich lebe ja in Colorado auf einer Farm. Du musst dir vorstellen, dass sich dort innerhalb von wenigen Wochen die komplette Umgebung verändert hat. Plötzlich waren da so viele Tiere, die man sonst nie zu Gesicht bekam. Alles war ruhig, kein Lärm, keine Menschen, kein Stress. Der Natur hat das sehr gutgetan. Könnte man den schlimmen Teil der Pandemie ausklammern, würde ich sagen, dass es wahrscheinlich sehr hilfreich und heilend für den Planeten war.

MusikBlog: Hat dich diese Zeit als Songwriter verändert?

Gregory Alan Isakov: Vielleicht ein bisschen, ich weiß nicht so genau. Ich denke, dass man allgemein bewusster lebt. Für die Musik nehme ich mir immer die Zeit, die es braucht. Da kam mir die Pandemie natürlich entgegen.

MusikBlog: Ist der Songwritingprozess für dich die heiligste aller Phasen, wenn es um neues musikalisches Schaffen geht?

Gregory Alan Isakov: Absolut. Ich liebe es, wenn ich auf der Bühne stehe – egal, ob auf einem großen Festival oder einer kleinen Bühne in einem Club – aber für mich ist nichts vergleichbar mit der Zeit, in der ein Song reift. Das ist ein magischer Prozess.

MusikBlog: Der Moment, in dem dir klar wurde, was dir Musik bedeutet: erinnerst du dich?

Gregory Alan Isakov: Das war gleich zu Beginn, als ich mich vor den Shows immer fragte, ob ich dem Ganzen überhaupt gewachsen bin. Ich war und bin auch heute noch sehr nervös vor Auftritten. Früher hatte ich regelrecht Angst vor der Bühne. Aber ich habe mir gesagt: Das ist so krass, das muss ich unbedingt schaffen. Ich muss über diese Hürde rüber, denn dahinter verbirgt sich bestimmt etwas Wundervolles. Und so war es dann auch. Ich habe mich überwunden. Das war der Schlüssel.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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