„If you’re lucky, you’ll be hooked for your whole life“ hieß es noch in „Kids“ auf ihrem letzten Album „New Me, Same Us“ von 2020. Mit ihrem siebenten Album „Slugs Of Love“ wollen Little Dragon aus Schweden diesem Ruf weiterhin gerecht bleiben.
Der neue Longplayer verspricht einen eigenwilligen Stilmix aus gefühlvollem Pop, Elektronik und R&B – eng umschlungen mit der durchdringenden Stimme von Leadsängerin Yukimi Nagano – wie Nacktschnecken bei der Paarung. Man habe sich von alten Mustern gelöst und neue geschaffen, sagt die Band. Es wurde getanzt, geweint und gelacht, um sich in alle Richtungen ausdehnen zu können.
Dem quiekenden Gesang und dem treibenden Bass im Titeltrack „Slugs Of Love“ entsteigt ein halbgares Saxophon, das ins Weltall entführt. Es entsteht ein abgedrehter und skizzenhafter Sound, der an manche Tracks auf Stereo Totals „Party Anticonformiste“ erinnert. Die Band selbst beschreibt diesen Song als fröhlich und beschwingt und assoziiert damit „einen Haufen junger Leute mit Gummistiefeln in verschiedenen glitzernden Farben“ – eine Metapher, die eigentlich stellvertretend für das gesamte Album steht.
Wer dem Ruf übrigens folgt, findet in „Lily’s Call“ den unehelichen Sprössling von Daft Punk und Muse. Denn der Song klingt, als wäre Muses „Algorithm“ auf „Simulation Theory“ für den Soundtrack zu „Tron Legacy“ neu interpretiert worden. Über die stetigen, wabernden Synths materialisiert sich eine Pyramide aus verschwörerischen Arpeggios. Kurz vor dem Höhepunkt löst sich das Klanggebilde in Luft auf, doch der Track als Höhepunkt selbst auf „Slugs Of Love“ bleibt.
Mit „I never want to fall in love, never“ wehren sich Little Dragon in „Disco Dangerous“, doch es ist wirklich schwer, diesem leichtfüßigen Song nicht zur Gänze zu verfallen. Viel lieber möchte man sich gemeinsam in Ektase tanzen.
Auch beim kühnen „Gold“ kann man unmöglich ruhig sitzen bleiben. Im Refrain ließen sich Little Dragon offenbar von Whitney Houston und „Million Dollar Bill“ inspirieren. Ein wummernder Bass veredelt den aufpolierten Groove.
Während sich „Easy Falling“ entspannt für ein Mittagsschläfchen in den Schatten eines Baumes fläzt, erzählt „Kenneth“ tranceartig, aber schlaflos von Freundschaft und Liebe. Vor der ranzigen und psychedelischen Lo-Fi-Kulisse kokettieren Little Dragon mit Trip-Hop, Dub und Soul.
Angesichts dieser Geschmacksexplosionen, die Little Dragon mit ihren delikaten „Liebesschnecken“ kredenzen, erfrischt das leicht verdauliche „Frisco“ mit seinem reduzierten und klaren Klangbild.
Wie Wachs in einem Wasserbad aus Glitzer zerschmilzt „Glow“ und lullt mit seinen säuselnden Gesängen ein. Albumgast Damon Albarn singt „Under the spell of the eyes that paralyse, looking at the fairy lights“ und beschreibt damit eigentlich den Song selbst am besten.
In „Stay“ verstreuen Little Dragon großzügig rosigen Sternenstaub und holen sich ein zweites Mal Verstärkung. Gemeinsam mit Rapper JID aus East Atlanta singen sie über die Aufs und Abs in einer Beziehung und plätschern dabei optimistisch und luftig dahin.
„Slugs Of Love“ klingt, als hätte man in einem Videospiel bei der Charaktererstellung den Zufallsgenerator gewählt. Nichts davon hätte man freiwillig kombiniert und doch ist es merkwürdig stimmig. Es ist ein Wirbelsturm an Halluzinationen, ein Kaleidoskop aus Minimalismus und Extravaganz, ein Album jenseits von Schubladisierungen.