Velvet Negroni heißt eigentlich Jeremy Nutzman und blickt auf eine Vergangenheit zurück, die so sehr einer abenteuerlichen Achterbahnfahrt gleicht, wie seine genresprengende Musik.
Als Adoptivkind wuchs er in einer streng gläubigen Familie in Minneapolis auf. Die Beatles kreuzten seinen Weg erst zur Volljährigkeit. Zu Hause erklangen nur klassische oder Kirchenmusik. Und obwohl er sowohl als klassischer Pianist ausgebildet ist als auch auf eine Karriere als professioneller Eiskunstläufer zurückblicken kann, gewann schließlich doch die Liebe zur Popmusik. Zumindest im weitesten Sinne.
Denn auch was Velvet Negroni auf seinem dritten Album „Bulli“ abliefert, ist weit davon entfernt, in irgendwelche Schubladen zu passen. Es überrascht nicht, dass Velvet Negroni bereits als Opener von Bon Iver unterwegs war. Sicher ist der Falsett-Großmeister mit seinem eigenwilligen Stil eine der ersten Assoziationen, die einem einfallen, wenn man in Velvet Negronis Universeum eintaucht.
Einen wesentlichen Unterschied gibt es jedoch. Wo Bon Iver gerne ausufert und Schicht um Schicht übereinanderlegt, scheint Velvet Negroni Kompaktheit zu lieben. So pendelt sich „Bulli“ mit zwölf Songs bei einer Gesamtlänge von gerade mal 31 Minuten ein. Das heißt aber nicht, dass es hier wenig komplex zugeht.
Das beweist schon der Opener, der mit seinem simplen Namen „Pop Song 2“ Eingägigkeit vortäuscht, um nach lautmalerischem Intro in knapp zwei Minuten seinen Weg über lässige Grooves mit E-Gitarren-Tupfern, einer Prise optimistischer Hoffnung hin zu synthgetränktem – ja, man möchte es fast Minimal nennen – Outro zu finden. Hier passt irgendwie gar nichts zusammen. Und irgendwie alles.
„Sinker“ hingegen nimmt sich immerhin drei Minuten zur Entfaltung Zeit und beweist, wie unglaublich lässig Velvet Negroni klingen kann. Von seiner schweren Drogenvergangenheit ist bei dieser luftig souligen Nummer nichts zu spüren. Stattdessen gibt es eine lässige Bassline, die perfekt mit einfachen Klavierakkorden harmoniert, während die Kuhglocken auf den Punkt synkopieren. Und am Ende ist sogar noch Platz für ein bisschen Sprechgesang und einen verzerrten Lacher.
Auch „Ebony Eggshell“ ist so ein Kleinod, das einen bereits mit dem Intro und Velvet Negronis hypnotisch, warmer Stimme gefangen nimmt, bevor man nach gut eineinhalb Minuten tatsächlich Bon Iver zu hören glaubt. Manchen Songs hingegen brauchen etwas mehr Zeit um zu überzeugen.
Man weiß nicht, wie er es macht. Fakt ist aber, dass Velvet Negroni mit „Bulli“ ein vielschichtiges Kaleidoskop gelungen ist, bei dem sich so manches Schillern erst nach mehrmaligen Hördurchgängen entfaltet.