Gegensätze ziehen sich an – ein zugegeben eher ausgelutschtes und fragwürdiges Sprichwort. Doch die kanadische Alternative-Rock-Band July Talk verleiht dem Spruch mit ihrer gesamten Existenz seit ihrer Gründung 2012 mit jedem Album neue Relevanz – und so auch mit ihrem neuen Longplayer „Remember Never Before“.

Denn die Stimmen der beiden Frontsänger*innen könnten unterschiedlicher nicht sein: Seine raue, an Tom Waits erinnernde Reibeisenstimme immer auf Anschlag und im Kontrast dazu die beruhigenden, sanften Vocals von Leah Fay, die Peter Dreimanis immer wieder auf den Boden zurückholen.

Dieses melodische Zusammenspiel der Stimmen zieht sich durch das Album wie ein roter Faden. So verliert sich „Remember Never Before“, das zwar ständig am Rande des Chaos balanciert, niemals völlig in diesem und kommt trotz Songs wie „Human Sight“, der von markanten Riffs des Gitarren-Duos der Band getragen wird oder den wabernden Synthies im verrückt anmutenden „Certain Feather“ immer wieder auf einen gemeinsamen Nenner.

Manchmal droht ihre Stimme hinter der Wucht der Instrumente zu verschwinden, aber genau dann setzt Peter Dreimanis ein und bringt die nötige Kraft, sodass ein sehr harmonisches Klangbild entstehen.

Mal animiert der Musiker seine Co-Sängerin, mit ihm krachendere, rockigere Töne anzuschlagen („After This“) und mal überzeugt sie ihn, auch mal seine nachdenkliche Seite zu zeigen und mit ihr über die Liebe und starken Bände zwischen zwei Personen zu philosophieren („Hold“).

Liebe ist generell ein vorherrschendes Motiv auf „Remember Never Before“, das sich mit allen Facetten von Beziehungen, aber auch mit dem eigenen Selbst auseinandersetzt. „When you stop you’ll find out what your running from”, heißt es zum Beispiel im Track “When You Stop”, der auf der Suche nach dem eigenen Selbst zu wichtigen Erkenntnissen kommt.

Es ist viel los auf dem vierten Album der Kanadier*innen, dessen unterschiedliche Genre-Einflüsse von Pop bis Synthie für einen großen Facettenreichtum und Komplexität sorgen, die „Remember Never Before“ schon jetzt zu einem wichtigen Album aus 2023 machen.

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