Im Jahre 2022 ist das Release eines Doppelalbums ein riskantes Unterfangen: Einerseits ist gar nicht klar, ob solch ein langes Stück Musik in Zeiten von Single-Versessenheit und immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspannen überhaupt in einem Rutsch gehört wird.

Andererseits gibt es den künstlerischen Aspekt: Schafft man es, ein Werk zu kreieren, das – ob theoretisch oder tatsächlich – über vier verschiedene Vinylseiten zu fesseln und begeistern vermag?

Viele legendäre Doppelplatten verteilen sich über die Musikgeschichte: Von den Beatles über Stevie Wonder bis hin zu den Smashing Pumpkins gibt es eine lange Reihe an Acts, die dem Format huldigen.

Für Unloved ist es mit ihrer dritten Platte soweit. Relativ früh in der Bandgeschichte, hält es DJ David Holmes, Produzent Keefus Ciancia und Sängerin Jade Vincent dennoch nicht davon ab, sich in 22 Tracks auf „The Pink Album“ ausgiebig auszuprobieren.

„Ausprobieren“ ist hier das Stichwort der Stunde, denn Experimente sind ein signifikanter Bestandteil der Platte. Vieles, was die Vorgänger „Guilty Of Love“ (2016) und „Heartbreak“ (2019) starteten, denken Unloved zu Ende und danach weit über die Ziellinie hinaus.

Etwa den cineastischen Charakter ihrer Musik, die zwischen verdrossenem Trip-Hop, schaurigem Freak-Folk und undefinierbaren wie unorthodoxen Sound-Fetzen vor sich hin wuchert.

Konstant prasselt ein überdimensionaler Schwall aus Synthesizern, Fuzz-Bässen und Gitarren, unbändiger Retro-Coolness und cineastischer Dramatik nieder und versucht gar nicht erst, in irgendeiner Weise eingängig zu sein.

Jedenfalls nicht in Pop-Musik-Dimensionen: Vielmehr wirkt „The Pink Album“ wie der Soundtrack zu einem Film, der noch nicht gedreht wurde. Statt gewohnten Songstrukturen finden sich hier Dramaturgie und Stücke, die nahezu in Reinform Emotionen übertragen.

Diese Erklärung wäre nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn Tracks der ersten beiden Unloved-Alben fanden bereits ihren Weg in den Soundtrack der US-Serie „Killing Eve“.

Aber auch vor der Bandgründung 2015 machten sich die einzelnen Mitglieder einen Namen als Session- und Livemusiker, sowie als Komponisten für Film und Fernsehen.

Auf ihrem dritten Album wird das besonders deutlich, denn die gemächlichen Songs mäandern langsam daher, fließen ineinander und lassen die Szenen, die sie in der Theorie unterlegen könnten, förmlich im Bewusstsein erscheinen.

Ob es um bluesige Film-Noir-Stimmung, um grell schimmernde Psych-Synths oder um lässigen, primitiven Post-Punk geht – alle Tracks vereint die schummerige Lo-Fi-Produktion und der emotionale Tiefgang, den Sängerin Vincent mit ihrer eigentlich eher gleichgültigen Stimmlage stützt.

Die Intention hinter dem Doppelalbum ist klar, allerdings ist Vorsicht geboten, mit welchen Erwartungen man an „The Pink Album“ herantritt. Denn so faszinierend die Prämisse ist, so ermüdend ist sie auf Dauer.

Irgendwann schwindet die Aufmerksamkeit bei der Langatmigkeit, die durch zu subtile und dadurch flache Spannungsbögen mit jedem Song etwas deutlicher wird.

Besonders zum Ende hin, wenn die Tracks immer zerstreuter und repetitiver werden, ist die Geduld irgendwann nicht mehr stark genug und man möchte die vierminütigen Soundfetzen in Dauerschleife eigentlich am liebsten ausschalten.

Ob es da wirklich ein ganzes Doppelalbum sein musste, nur um auf Spielfilmlänge zu kommen, ist sicher diskutabel. Ihren Punkt hätten Unloved, gerade wegen der mitreißenden Ansätze, auch in der Hälfte der Zeit rüberbringen können.

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