Wer behauptet, künstliche Intelligenz und Emotionen stünden sich diametral gegenüber, sollte dringend „Her“ mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle anschauen. Oder „Raw Data Feel“ von Everything Everything auflegen. Für ihr sechstes Album verschrieben sich die Briten nämlich der KI. Ein nahezu tröstliches Terrain in Zeiten, wo die ganze Welt zu brennen scheint.

Ganz konkret speiste das Quartett verschiedene Datensätze in eine KI ein, darunter die Geschäftsbedingungen von LinkedIn, die Lehren des Konfuzius und Hunderte 4chan-Kommentare. Aus diesem irrsinnigen Fundus konnte die KI schöpfen – und die Band inspirieren.

Als fünftes Bandmitglied hatte die KI so maßgeblichen Einfluss auf Inhalte und Sound der Platte. Ein spannendes Experiment für eine ohnehin schon spannende Band. Und wer Everything Everything schon mal gehört hat, weiß, dass eine solche Idee wie die Faust aufs Algorithmen-Auge passt:

Ohnehin wurde die Musik der Band stetig exzentrischer, die Ekstase immer zentraler, der wilde Ritt auf den Beats nicht gescheut. Und über allem kreist Jonathan Higgs Falsett höher als Super Mario jemals springen könnte. Auch das ist Tradition.

Dieser sagt aber auch, die Zusammenarbeit mit der KI sei alles andere als Chaos gewesen, sondern eine ganz besondere Inspirationsquelle. Passend dazu entstand dieses sechste Album auch erstmals in völliger Eigenproduktion – und das hört man den 14 Songs im bestmöglichen Sinne an.

Seien es nun die übergroßen Bläser von „Shark Week“, die analogen Americana-Feelings von „Jennifer“, die Dark-Wave-Melancholie von „Pizza Boy“ oder die Glitch-Beats von „Teletype“ – „Raw Data Feel“ trifft genau in die Kerbe, bei der man wie elektrifiziert tanzen möchte und gleichzeitig eine Erderwärmung rund ums eigene Herz wahrnimmt.

Da stecken sie wieder, diese übereinander stolpernden Beats von Schlagzeuger Michael Spearman („HEX“), über die Higgs so lässig wie eh und je sprechsingt. Da ist aber auch eine gewisse bedeutungsschwangere Dramatik („Leviathan“), die sich vor allem im Closer „Software Greatman“ durch die Bits und Bytes fräst. Das bringt noch jede Software zum Glühen.

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