Trotz ihrer vergleichsweise kurzen Karriere hat Kaina bereits große Fortschritte auf der Suche ihrer eigenen musikalischen Stimme gemacht. Vom postmodernen Hochglanz-R&B ihrer 2016er Debüt-EP „Sweet Asl.“ emanzipierte sich die Sängerin mit venezolanischen und guatemaltekischen Wurzeln langsam, aber stetig.
Dass es nicht immer gezwungen innovativ und hochmodern sein muss, zeigte das erste Album „Next To The Sun“ von 2019. Darauf klingt die Musikerin zwar nach wie vor kämpferisch optimistisch, jedoch ebenfalls geerdeter und subtiler als zuvor.
Ein gewisser Zeitgeist, den die Veröffentlichung des Flüster-Pop-Epos „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ einer debütierenden Billie Eilish lostrat, ist wie bei so vielen Werken der Zeit nicht abzusprechen. Und auch, wenn böse Zungen dem Album Trittbrettfahrerei auf einer tagesaktuellen Hype-Welle vorwerfen könnten, wäre das höchstens nur die halbe Wahrheit.
War das Debüt ein musikalischer Abstecher in die Welt da draußen, ist „It Was A Home“ nun eine Rückkehr in die Introspektive: Der Sound nimmt an Soul und klassischem Rhythm-And-Blues zu und verbindet Retro-Charme mühelos mit synthetischen Pop-Sphären.
Ebenfalls sind wieder lateinamerikanische Rhythmen und Melodien an einigen Stellen präsent – Kaina vergräbt diese allerdings so unauffällig, dass man angenehm überrascht ist, wenn sie wie warme Wellen am Strand um die Füße gespült werden.
Songs wie der Titeltrack oder „Anybody Can Be In Love“ bringen mit balladesken Motown-Sounds, leichten Streichern im Hintergrund und einem unverkennbaren Groove viel Wärme ins Klangbild von „It Was A Home“, das plumpe Nostalgie-Anbiederung vermeidet.
Vielmehr remixt die Musikerin statt Tracks ganze Soundästhetiken und bringt diese mit geschmeidigen Synth-Spielereien oder höchst aktuellen Melodieführungen in die 20er des 21. Jahrhunderts. Gebrochen wird dieses Vorgehen höchstens durch die Gastbeiträge, in denen stets die Gewissheit im Raum steht, dass die Kollaborationen weit über plumpe Features hinausgeht.
Sleater-Kinney etwa dürfen in „Ultraviolet“ verzerrte Gitarren ins Spiel bringen, genau wie ihren markant angeschrillten Gesang. Oder Helado Negro, der auf „Blue“ seinem leicht verschrobenen Folk-Pop Luft macht.
Die Immersion einer Kaina-Platte bleibt allerdings jederzeit erhalten und das Gefühl, dass jedes Detail zielgerichtet und liebevoll per Hand platziert wurde, besteht bis zur letzten Sekunde.
War das Debütalbum noch eventuell zum Teil unter einem fremden Stern entstanden, ist „It Was A Home“ nun ein Stück Musik, das voll und ganz Kaina gehört. Der in Chicago lebenden Sängerin gelingt es, Musik zu schaffen, die sich im Ohr wie feine Seide auf der Haut oder ein guter Kaffee am sonnigen Sonntagmorgen anfühlt.