Das sechste Album einer Diskographie gleicht meist der Veröffentlichung eines neuen Marvel-Films: Eingefleischte Fans greifen blind zu, alle anderen schreiten schulterzuckend zum neusten Hype. So ähnlich sollte das auch beim neuen Alligatoah-Album ablaufen. Denn so anspruchsvoll arrangiert die Songs auch dieses Mal sein mögen – Die Rezeptur kommt einem doch bei jedem Takt sehr vertraut vor. Zu vertraut vielleicht sogar?

Darüber macht man sich als Alligatoah-Ultra wahrscheinlich wenig Gedanken, wenn schon der Opener „Feinstaub“ mit dem altbekannten Gerüst Richtung Gehörgang scheppert: Gitarren-Riffs zieren den eingängigen Refrain, die Strophen sind von schnellem Sprechgesang vor Moll-Beats geprägt. Ein kleines Gefühl des Nach-Hause-Kommens, das hier noch positiv konnotiert ist.

Im Esther-Graf-Feature „Mit Dir Schlafen“ könnten dann aber auch erste Ermüdungserscheinungen aufkommen. Die Vermischung aus leicht angedeuteten Ska-Rhythmen und modernen Beats schielt vermutlich etwas zu sehr in Richtung Format-Radio, wo sich derartige Deutsch-Rap-Hits mit poppigen Gästen seit Jahren breit machen.

Auch ansonsten ist „Rotz Und Wasser“ ein durchweg leicht verdaubares Album. Im Guten wie im Schlechten.

„Ich Hänge“ über das „Nerd“-Leben baut sich auf den spannendsten Beats der ganzen Platte auf, „Fuck Rock N Roll“ kommt mit der düsteren Atmosphäre und Trap-Haltung auch überzeugend davon.

Auf „Hart Vermissen“ werden sich vermutlich wiederum hauptsächlich die Alligatoah-Jünger verständigen können, ist der sarkastische (?) Kitsch hier doch etwas sehr überdramatisch: „Ich halte nicht fest, was zur Sonne hinwächst.“ Humor ist eben subjektiv.

Besser funktioniert das beim ebenfalls theatralischen „Verloren“, das mit den Sound-Waffen eines Liebessongs über die Auswirkungen eines neuen Pärchens für einen Freundeskreis singt. Und auch der Closer „Nicht Adoptiert“ bringt eine frische Perspektive, dieses Mal ins Elternwerden: „Ich bin der Star in deiner Psychotherapie“.

Gerade in diesen doch immer noch kreativen Momenten glänzt Alligatoah auch nach all den Jahren noch überzeugend.

Ob dramatisch wie im epischen „Unter Freunden“ oder reduziert wie in „Nebenjob“ – Alligatoah ist auch 2022 ein Trademark-Sound auf zwei Beinen. Darauf muss man sich einlassen wollen – und dann bekommt man hier gleich ein paar frische, unterhaltsame Stücke für die eigene Playlist. Und sonst hört man eben wie bisher gekonnt weg.

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