Manche Dämonen sollte man nicht ausmerzen – Maeckes im Interview

Mit „Pool“ erscheint mittlerweile bereits das dritte Soloalbum des Orsons-Mitglied Maeckes. Längst beschränkt er sich nicht mehr nur auf das Musikmachen, sondern ist leidenschaftlicher Video-Aficionado geworden und liefert zu jeder Single nicht nur ein passendes „Exclusive“ bei You-Tube, sondern auch einen visuellen Gaumenschmaus. Wir trafen uns mit dem gebürtigen Stuttgarter und sprachen über Kritikfähigkeit, das Erwachsenwerden und Kontrollzwang.   

MusikBlog: Dein neues Album heißt „Pool“. Wann bist du zum letzten Mal in einen gesprungen?

Maeckes: Beim Videodreh zu „Calippo Vivaldi“. Das war aber Arbeit und kein Vergnügen. Es war viel zu kalt.

MusikBlog: Deine Soloalben haben alle Titel, die aus vier Buchstaben bestehen. Hast du Strukturzwang?

Maeckes: Nicht in allen Belangen. Aber ich habe bei der Arbeit an meiner Musik und den Videos meine eigenen, merkwürdigen Strukturen, die ich aufrechterhalte und an denen mir sehr viel liegt. Sozusagen eine Inselstruktur, denn in anderen Lebensbereichen habe ich das überhaupt nicht.

MusikBlog: Inwiefern sind diese Strukturen merkwürdig?

Maeckes: Insofern, dass manche Dinge mir völlig egal sind, während andere Sachen mir super wichtig sind und einem sehr starken Kontrollzwang unterliegen. Das ist sehr durcheinander. Wenn man klassisch arbeitet, dann hat normalerweise entweder alles so einen Wert und seine Ordentlichkeit, oder eben nichts. Bei mir ist das total durcheinander. Manches ist super dilettantisch und in anderen Sachen bin ich ein richtiger Professor, der auf alles Wert legt.

Gerade jetzt zum Beispiel sitze ich selbst wieder an einem Schnitt von dem letzten Video, das ich gedreht habe. Obwohl ich einen Cutter habe. Aber trotzdem sitzt Maecki dann selbst da und muss die Bilder tanzen lassen, weil sonst in meiner Welt bestimmte Feinheiten fehlen. Wenn ich die gefunden habe, gebe ich es gerne an jemanden ab, der das besser kann. Aber ich kann diesen Zwischenschritt nicht auslassen.

MusikBlog: Was ist dir völlig egal?

Maeckes: Da muss man nur mal auf ein Gitarrenkonzert von mir gehen: Der ein oder andere Skilllevel ist mir völlig egal. Schreiben und Rappen war und wird mir nie egal sein, aber das Drumherum muss nicht immer „Highend“ sein. Ein Beispiel: Auf diesen Gitarrenkonzerten auf meiner letzten Tour habe ich mitbekommen, dass mein Lichtmann besser Gitarre spielt als ich. Der hat auch den Soundcheck gemacht und dann ist man in einer fremden Stadt und die Techniker vor Ort denken: „Ist das der der Gitarrist?“ Aber dann komme ich auf die Bühne und spiele einfach schlechter als er und dann sind alle richtig durcheinander.

MusikBlog: Deine Presse-Info sagt: „Pool“ ist dein „of-age“ Moment. Fühlst du dich erwachsen?

Maeckes: Puh. (überlegt) Irgendwie überhaupt nicht, aber irgendwie sehr. Irgendwas dazwischen. Ich finde aber auch, dass das nichts Erstrebenswertes ist, zu sagen: „Jetzt bin ich vollständig erwachsen“. Ja, Gratulation. Was bedeutet das jetzt? Hast du deinen Sarg schon vorbestellt? Ich finde, man sollte vielmehr anstreben, in bestimmten Belangen zu reifen oder Verantwortung zu übernehmen. Andererseits sollte man ein paar Dinge nie erwachsen lösen und sich eine alternative Energie bewahren. Manche Dämonen sollte man nicht ganz ausmerzen. Davon bin ich nicht so Fan.

MusikBlog: Gibt es einen Bereich, in dem du während der Arbeit zu „Pool“ gereift bist?

Maeckes: Ich bin musikalisch insofern gereift, dass ich nicht mehr jeden Stolperstein, der mir interessant erscheint, verwenden muss. Früher hatte ich Musik-Tourette und musste alle diese Steine einbauen, weil ich sie nicht unterdrücken konnte. Mittlerweile habe ich ein besseres Gefühl bekommen, was einem Song dient beziehungsweise wie der auch auf einer einfacheren Ebene als Vibe oder Gefühl funktioniert.

MusikBlog: In „Swimmingpoolaugen“ thematisierst du Selbstwahrnehmung. Wann findet dich dein Spiegel nicht schön?

Maeckes: Oft genug. Aber nicht optisch nach dem Motto: „Mein Haar liegt nicht gut oder habe ich viele Augenränder heute“, sondern eher innerlich. Ich trage manchmal eine Hässlichkeit in mir. An solchen Tagen gehe ich mit mir selbst zu hart ins Gericht und bewerte mich nach einem Leistungsprinzip, dem ich nicht gerecht werde. Es gibt definitiv genug Momente, in denen das nicht bildhübsch ist, was ich da im Spiegel sehe.

MusikBlog: Wonach bemisst du deine Leistung?

Maeckes: Primär nach meinen eigenen Ansprüchen, aber man ist nicht losgelöst von der restlichen Welt. In der Musikwelt ist mittlerweile alles zählbar. Das bringt einen in einen endlosen Vergleich mit allen und das hat eine Wertigkeit. Vor kurzem habe ich mich mit Tristan darüber unterhalten. Er meinte, er will nicht mehr bei Spotify Musik hören, weil er gemerkt hat, dass, wenn er ein Lied entdeckt, das nur 1.000 Streams hat, ihm sein Gehirn sofort sagt: „Okay, das kann nicht gut sein.“

Das heißt, man kann sich Musik gar nicht mehr wertfrei anhören. Ich fand das einen sehr interessanten Gedanken, von dem ich mich auch nicht ganz loslösen kann. Natürlich will ich in einem Moment Nummer eins in den Charts sein und Stadien spielen. Aber im nächsten Augenblick merke ich, dass es eigentlich hauptsächlich um meine eigenen Ansprüche geht.

MusikBlog: Auf „Pool“ und den passenden Exclusives dazu thematisierst du auch die Rolle von Social Media.

Maeckes: Ja, die komplette Promotion ist beispielsweise derzeit nur so möglich. Mir geht das tierisch auf den Sack. Ich release eine Single, während ich zu Hause ohne Hose und mit Bier auf der Couch sitze und in irgendwelche Chatgruppen schreibe. Das andere Ende des Spektrums ist, du hast gerade ein Konzert gegeben, den Song gespielt und die Leute feiern ihn ab. Ich tue mir schwer damit, sowas in einem kleinen Gerät virtuell zu zelebrieren. Heutzutage gehört es aber dazu, sich in Bubbles von größeren Künstlern zu schnorren, die dann deine Single posten. Ich mache das auch, aber Spaß macht mir das keinen.

MusikBlog: In einem anderen Exlclusive berichtest du von einem alten Freund, der in die falschen Kreise abdriftet. Wie gehst du mit sowas um?

Maeckes: Das erwischt mich auf einem nicht ganz so selbstbewussten Fuß, weil ich bislang die Zeit für die Konfrontation nicht hatte, denn ich möchte demjenigen eine Chance geben, sich zu erklären. Obwohl – vielleicht habe ich es mir auch einfacher gemacht und dem einfach nicht genug Priorität eingeräumt und was anderes vorgeschoben. Aber generell finde ich, man sollte die Konfrontation suchen. Vor allem, wenn das jemand ist, mit dem man eine Vergangenheit hat. Im schlimmsten Fall sagt man danach halt: „Lösch mich aus all deinen Kanälen, du bist hängengeblieben“, aber man sollte es nicht davor machen.

MusikBlog: In einem Interview hast du kürzlich gesagt, dass politische Musik kein Selbstzweck sein darf und dass es wenige gibt, die ihre Musik so sehr überprüfen wie du, um genau das zu vermeiden. Wie überprüfst du deine Musik?

Maeckes: Erstmal mache ich einfach. Sprich, es gibt Ordner voll mit Liedern mit den komischsten Haltungen oder Ansagen. Manchmal, wenn mir etwas aufstößt und ich darüber schreibe, hat das nicht direkt einen Filter. Ich habe die merkwürdigsten politischen Lieder gemacht, aber auch die seltsamsten unpolitischsten Blödsinn-Songs. Ich mache erstmal Musik und danach bewerte ich das. Das mach ich mit Leuten, denen ich vertraue, dazu zählen natürlich die Orsons. So stellt man fest, dass manche Sachen zwar das Herz am rechten Fleck haben, aber nicht ausgefeilt genug sind oder einen seltsamen Winkel haben. Wie uns das damals mit „Horst und Monika“ passiert ist.

MusikBlog: Fällt es dir leicht, Kritik anzunehmen?

Maeckes: Nein, überhaupt nicht. Ich bewundere Leute, die das besser wegstecken. Ich bin schon kurz in meiner Ehre verletzt und sofort auf Verteidigungskurs. Aber dann brauche ich auch meist nur fünf Minuten, bis ich mich entschuldige und einsehe: „Okay, du hast Recht“.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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