Das Southside ist der Rubel, der rollt. Noch während das Festival läuft, verkünden die Veranstalter Seeed als Headliner für 2020. Und während die letzten Besucher ihre Zelte zusammenräumen, sind bereits 10.000 Tickets für die kommende Ausgabe verkauft.

Das Open Air zählt zu den Dickschiffen der hiesigen Festivallandschaft und wächst als Ereignis nicht nur gefühlt immer weiter in die Breite  – mit allen Vor- und Nachteilen.

Mehr Green-Camping-Flächen, mehr Parkplätze mehr Bühnen. Inzwischen fünf an der Zahl. Die einstige Red-Stage im Zelt wurde zur großen Open-Air-Bühne umfunktioniert und in einer Reihe mit Green- und Bluestage gestellt.

Die Wege von einem zum anderen Ende des Geländes werden immer länger. Ein Parcours aus tausend Fressbuden und Sponsorenständen zwischen Riesenrad, Jägermeister-Platzhirsch und VIP-Lounges, von und für Brausehersteller, navigiert die Massen über den ehemaligen Flugplatz.

Festival bedeutet eben auch: Event. Als solches ging es am Sonntag mit Mumford And Sons vergleichsweise beschaulich, dafür äußerst würdig über die Ziellinie. Die Briten sind noch immer die pausbackigen Schwerenöter, die ins Folk-Mark treffen, wenn sie die Songs ihrer ersten beiden Alben spielen. Die Coldplay-ifizierung der neuen Sachen ist verziehen, sobald „Little Lion Man“ oder „I Will Wait“ in die abgerockten Knochen der Vortage fahren.

Schuld daran haben unter anderem die Foo Fighters. Sie machen am Freitag das, was sie immer machen. Energetisch ein Best-Of-Set abliefern, das mit „The Pretender“ beginnt und mit „Everlong“ endet. Grohl pflegt seinen Habitus einer unverwüstlichen Rampensau und stellt seine Tochter im Backing-Chor vor. Der Coup gehört trotzdem seinem Drummer.

Taylor Hawkins schmückt sich als Sänger mit einem denkwürdigen Cover von Queens „Under Pressure.“ Ansonsten wirkt vieles routiniert. Grohls Ansagen sind seit Jahren dieselben. „Wir spielen, bis sie uns den Saft abdrehen.“ Eine einstudierte Phrase, denn tatsächlich beenden die Foo Fighters ihre Show noch vor der Zeit und machen damit rechtzeitig Platz für das Opus Magnum des Festivals.

30 Jahre nach Erscheinen von „Disintegration“ nutzen The Cure die Gunst der Stunde, um beinahe alles aus diesem Meilenstein der 80er zu spielen. Und selbst drumherum bastelt die Band ein Set, das einem das Pipi in die Augen treibt.

Robert Smith hat noch immer die Gestalt einer Goth-Vogelscheuche, dafür aber auch den Vollbesitz seiner markanten Stimme und den besten „Lovesong“ des Wochenendes in der Tasche. Der Sound ist brillant, die unaufhörlichen Nebelschwaden auf der Bühne sind Programm in der Musik. Wer bei „Pictures Of You“ nicht schwach wird, ist schon lange verloren.

Am Ende folgt gar ein kleines Novum. „Friday, I’m In Love“ und „Boys Don’t Cry“ sind das große Dankeschön der Band an alle, die für sie wach geblieben, womöglich nur ihretwegen da sind. Bei ihrem letzten Southside-Auftritt 2012 gab es keines von beiden. Dieses Jahr passt der Wochentag und ein Festivalauftakt könnte unmöglich besser enden.

An selber Stelle sorgen Tame Impala am Samstag für den Trip des Wochenendes. Kevin Parker macht das elektronische Psych-Fass auf, an dem man sich bis in den Morgengrauen hinein besaufen kann. Die retrofuturisitischen Visusals machen Drogen eigentlich überflüssig. Es riecht trotzdem überall nach Gras, wenn ein paar tausend Seelen „It Feels Like We Only Go Backwards“ mitfühlen.

Dagegen wirken Die Toten Hosen nebenan wie der „Ballast der Republik“, der grundsolide die Massen entzückt und in rote Pyro eintaucht. Eine positive Sache: Erst mit der Schlussnote von „Hier kommt Alex“ fangen Tame Impala auf der Blue Stage an.

Rauben die längeren Wege etwas die Spontanität bei der individuellen Programmplanung, sind die Taktungen zwischen den beiden größten Bühnen so großzügig, dass keiner etwas verpassen muss.

Ohnehin gesetzt sind die Indie-Konfettikanonen von Bloc Party, die dreampoppige Verschnaufpause von Cigarettes After Sex zum Mittag und die grandiosen Überzeugungstäter Bilderbuch. Vergleichbar gute Unterhaltung mit Witz und Selbstironie bringt im deutschsprachigen Raum derzeit niemand auf solch hohem musikalischen Niveau wie die Österreicher. Weder Die Orsons noch die 257ers sind da konkurrenzfähig. Es hängt 2020 wohl an Seeed.

Bei der Fülle an Acts sind mediokre Nummern Teil des Programms, das das Southside immer wieder zum Ereignis macht. Bleibt zu hoffen, dass das Festival in seinem Größer-, Höher-, Weiter-Streben den Fokus behält und zwischen den zahlreichen Wiederholungstätern, allen voran den Murmeltieren Flogging Molly, auch dem Außergewöhnlichen immer wieder Chancen bietet.

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