Noch vor kurzem hat David August mit „D’ANGELO“ seinen künstlerischen Anspruch vertreten, das Zwielicht auf Platte zu bündeln und irgendwo zwischen Crime und Endzeit den Menschen zu lokalisieren und zu vertonen.

Gestern spielte er sein letztes Deutschlandkonzert des Jahres, in Hamburg, im Gruenspan. Heimspiel also. Aber vorher darf Support-Act Paquita Gordon ans Mischpult.

Licht, Dunst und Repetition. Paquita legt von der linken Seite der Bühne auf und einen durchschaubaren Scheier über das Publikum. Manche merken nicht, dass oben schon jemand steht, andere wippen mit und wieder andere machen beides.

Ein paar Minuten später – mittlerweile befindet sich das Pult in der Mitte der Bühne und wirkt wie Altar und Arbeitsplatz zugleich – tritt David August in Erscheinung. Ohne große Geste und ohne Ego scheint August selbst nur für die Musik da zu sein und liefert ein intensives Intro, das durch Nebel, Licht und Bass nur noch undurchdringbarer wirkt.

Früh setzt ein kollektiver Trancezustand ein, der sich durchs ganze Publikum und die Bühne hinauf zieht. David August schaut kaum auf, auch nicht, als er nach dem Mikrofon greift und zum Erstaunen einiger selbst zum Gesangsfeature wird.

Versetzt hängen sechs lichtdurchlässige, schwarze Banner von der Decke herab, die Augusts mittiger Position noch mehr Tiefe verleihen. Fluchtpunkt und Rückzugsort, wenn er akribisch von der einen Seite seines selbst erstellten Soundboards zur anderen gleitet.

Vielleicht ist der Nebel dann auch einfach der real gewordene Wunsch danach, nicht im Mittelpunkt zu stehen. Stattdessen bahnt der Nebel sich samt Bass seinen Weg durch die eng und zahlreich tanzenden Besucher*innen. Wie Wetterleuchten kann jeder die ungefähre Position desjenigen erahnen, der diese Musik macht.

Die Musik selbst scheint von überall zu kommen und legt sich bei geschlossenen Augen um jeden. Jedenfalls um jeden, der nicht im hinteren Teil des Klubs steht, wo der Sound etwas flacher und der Raum etwas enger ist.

Das Set setzt sich aus atmosphärischen Versatzstücken zusammen, die zusammenfinden, ohne viele seiner veröffentlichten Tracks erkennen zu lassen. Vom aktuellen Album „D’ANGELO“ taucht aber doch der ein oder andere Song auf, so z.B. „D’ANGELO“, „33 CHANTS“ und „ELYSIAN FIELDS“.

Gegen Ende des beinahe zweistündigen Auftritts greift August zur Gitarre und positioniert sich kurzzeitig sogar vor seinem konstanten Zirkel, schafft einen Hybriden aus DJ-Set und Konzert. Eine Hybridform, die besonders der Musik viel abverlangt und hohe Ansprüche stellt.

Es gelingt ihm, die Intensität konstant aufrechtzuerhalten, repetitive und trancehafte Zustände in Bass- und Lichtgewitter aufzubrechen und sich selbst dabei in den Hintergrund zu rücken, obwohl der Sound so individuell und der Auftritt so abwechslungsreich ist.

Am Ende tritt er stumm vor das Publikum, verneigt sich und verlässt geräuschlos die Bühne. Keine Worte. Und keine nötig.

Das Gruenspan öffnet seine Türen und der Nebel driftet durch und mit den Menschen in die eiskalte Nachtluft der Stadt an der Elbe. Sofort begegnet man der unsubtilsten Leuchtreklame Deutschlands, wabert über die Große Freiheit in Richtung Reeperbahn und spürt den Gegensatz zum grad Erlebten – und ein klein wenig Mitleid für all diejenigen, die hier grad Mexikaner kippen, Andreas Gabalier hören und nicht wissen, was 100 Meter weiter heute Nacht lief.

Was jetzt kommt für David August? Größere Venues bestimmt, wenn er sogar schon das Roundhouse in London füllt. Hoffentlich verschläft ihn hier niemand.

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