„Ich bin besessen von diesem Instrument“, sagt Tom Odell über das Klavier. Und endlich hört man das seiner Musik auch wieder an. „Jubilee Road“ jubiliert mit der Stilsicherheit eines Billy Joel, zitiert Elton John und entfacht einen Hoffnungsschimmer, dass die Ära der großen Songwriter doch noch nicht vom Aussterben bedroht ist.
Wer die „Jubilee Road“ auf der Karte sucht, dessen Mühe ist vergebens. Seinen alten Nachbarn zur Liebe hat Tom Odell den Straßennamen seiner ehemaligen Ost-Londoner-Heimat fiktionalisiert.
Aber Zeilen wie „Come back home / Down on Jubilee Road“ sprechen für sich. Großteile seiner dritten Platte sind im Wohnzimmer ebendieser Straße am Klavier entstanden. Odell gibt ein Stück von seiner Heimat preis. Er erzählt Geschichten von den Menschen um sich herum und entführt in fremde Leben.
Und das tut er in der Tradition der großen Piano Men. Der Titelsong liefert das perfekte Beispiel. Ein Klavierintro, dass so auch von Elton John hätte in die Tasten geschmettert werden können. Dazu schleift und schmiert Odell von Ton zu Ton, driftet kurzfristig in die Kopfstimme ab, um dann im Brustton der Überzeugung die Catchphrase rauszuschmettern.
Generell hat Tom Odell für „Jubilee Road“ seine Liebe zum Gospel entdeckt. In „If You Wanna Love Somebody“ regnet es ausdrucksstarke Backgroundchöre, mit denen sich Odell das klassische, aber leicht abgewandelte Call-And-Response-Spiel liefert, während sie sich gegenseitig zum Höhepunkt treiben.
Gleiches gilt für „You’re Gonna Break My Heart Tonight“, allerdings noch mit einem schmalzig-schönen Saxophon-Solo als Sahnehäubchen.
Bei „Son Of An Only Child“ beschränken sich die Elton-John-Referenzen nicht mehr länger allein aufs Klavier, sondern werden mit Zeilen wie „I’m sick of singing ’bout my broken heart / I’m a rocket man“ auch in den Lyrics evident.
Nur selten übertreibt Odell es ein bisschen mit den Klavier-Glissandi. Bei „China Dolls“ überlappen Background-Chöre mit schrammeliger Gitarre, jeder Menge Glissandi, wuchtigen Akkord-Brocken und röhrigen Bläsern dermaßen, dass man völlig den Überblick verliert und sich vom großen Durcheinander erdrückt fühlt. Aber das ist schnell verziehen.
Mit „Jubilee Road“ betritt Tom Odell kein Neuland und erzählt keine Geschichten, die man so noch nicht gehört hat. Aber genau das ist das Großartige an der Platte.
Odell hat den Mut, das zu tun, was er ganz offensichtlich am liebsten macht: Am Klavier sitzen und Geschichten erzählen. Und genau diese Ehrlichkeit und gelebte Leidenschaft hört man „Jubilee Road“ an.