Conor O’Brien ist Perfektionist geblieben und trotzdem ist 2018 alles anders. Beim vierten Studioalbum seiner Band Villagers hat er kaum etwas aus der Hand gegeben.
Die neun Stücke von „The Art Of Pretending To Swim“ sind natürlich von ihm geschrieben, aber auch in erster Linie von ihm gemischt und produziert worden.
Schnell wird klar: Mit der schlichten, beinahe redundanten Tendenz des Vorgängers „Darling Arithmetic“ hat das nur noch sehr wenig gemeinsam. Und das ist auch gut so.
In seinem Studio in Dublin hat Conor sich den Kopf zerbrochen, über existenzielle Ängste und Verzweiflung im Digital-Native-Zeitalter. „Fool“ versteht er etwa als Schrei nach Romantik, während alle um ihn herum nur auf ihr Smartphone starren.
Melodramatisch klingt O’Brien jetzt immer noch nicht, er bewahrt einen kühlen Kopf. Bevor er andere kritisiert, fängt er erstmal bei sich selbst an: „And I’m looking at my screen and fail to accept that there’s a problem to the scene, too“, heißt es hier.
Dafür klingen die Instrumentals nicht nur hier verwinkelter, komplexer und detailverliebter. O’Brien wollte sich selbst wieder richtig herausfordern. In einem Interview gestand er vor kurzem, dass er sich selbst mal wieder testen wollte und einen verschiedenen Teil seines Gehirns in Anspruch nehmen wollte, das anscheinend bei der Aufnahme und Bearbeitung aufwendiger Arrangements benötigt wird. Popsongs nennt er sie trotzdem noch.
„Love Came With All That It Brings“ etwa kommt mit Samples um die Ecke, verhuschten Beats und Blasmusik. Und in „Real Go-Getter“ zerschneidet sich die Audiospur sogar selbst. Das ist konsequent: Wenn es inhaltlich unter anderem um Technologie geht, dann soll man das auch im Sound merken.
Folk-Puristen müssen hier mit Sicherheit einmal tief Luft holen. Man könnte meinen: Seine Holzklampfe hat Conor wohl auch mal im Keller liegen lassen – und gar nicht mal so stark vermisst.
Aber damit das klar ist: Villagers synthetisieren ihre Folk-Roots nicht so radikal mit jenen schier entgegengesetzten Elementen wie zuletzt Bon Iver mit massig viel Autotune und Jazz. Es gibt weiterhin Folk-Arrangements, bei denen man Villagers mit dem mittelfrühen Conor Oberst verwechseln könnte.
„The Art Of Pretending To Swim“ knüpft in seiner Vielschichtigkeit auch an das breit gefächerte Album „{Awayland}“ an, wenngleich die Villagers jetzt auf mehr Schnittstellen von analog und digital setzen.
Stücke wie „Long Time Waiting“ wirken phasenweise nur einfach elektronisch verzierter. Auch im Abspann „Ada“ scheinen die im Opener eingebauten Field Recordings von Möwen erneut aufgegriffen und im Anschluss von wirren Synthesizern ersetzt zu werden. Und wenn einen nicht alles täuscht, hat auch O’Brien hier seine Stimme ein wenig mit Effekten moduliert.
Technik vs. Natur? Schwindel und Zauber im Studio? Wann kommt eigentlich Charlotte Gainsbourg mal wieder vorbei? Und wie wird das alles live klingen?
So viel steht aber fest: „The Art Of Pretending To Swim“ ist allem Anschein nach das stilistisch pfiffigste Album, das die Villagers bisher abgeliefert haben.