Nach gut 40 Jahren im Geschäft brachialer Gitarrenmusik findet die Hamburger Punklegende Abwärts endlich wieder zurück zum brachialen Stil ihrer Anfangsjahre. Das hat auch mit der Zeit zu tun, in der wir leben, sagt das letzte Gründungsmitglied Frank Ziegert alias Frank Z. im MusikBlog-Interview. Anders als der Vorgänger mit dem sprechenden Titel „Krautrock“ ist das neue namens „Smart Bomb“ demnach weniger poppig und dürfte damit vor allem mitgealterte Fans befriedigen. Ein Gespräch über Dampfablassen, Neue Deutsche Härte, Kopfnicken oder warum der Gitarrist und Sänger seine Band gar nicht als Band betrachtet.
MusikBlog: Frank, wenn man sich euer neues Album anhört, hat es musikalisch mit den beiden Vorgängern „Krautrock“ und „Europa Safe“ musikalisch nur wenig gemeinsam.
Frank Z.: Das stimmt wohl.
MusikBlog: Sind Abwärts-Platten Spiegel ihrer Zeit?
Frank Z.: Im Grunde gilt das vermutlich für fast alle Platten, aber unsere hatten ja noch nie einen wirklich einheitlichen Stil. Vor vier Jahren wollten wir einfach mal Krautrock ausprobieren und mit etwas Pop versehen, das hatte gar nicht unbedingt konzeptionelle Gründe.
MusikBlog: Andererseits waren die Zeiten vor vier Jahren noch weitaus weniger zerrüttet als heute, wo viele Gewissheiten unter populistischem Beschuss stehen. Ist es da ein Kommentar auf die Epoche, wenn Abwärts wieder so punkrockig klingt wie vor fast 40 Jahren?
Frank Z.: Na ja, in Ordnung war auch zwischendrin wenig. Wenn ich allein an die Stimmung nach der Wende denke, als schon mal überall die Asylheime gebrannt haben und sogar Menschen umgekommen sind, ging es auch ganz schön ab von rechts. Aber natürlich klingen wir schon oft wie die Zeit um ums herum. „Smart Bomb“ zum Beispiel bezieht sich auf die technokratische Kriegsführung.
MusikBlog: Und klingt dabei fast nach Neuer Deutscher Härte mit Industrial-Elementen…
Frank Z.: Natürlich steht das in Zusammenhang mit einem Inhalt, der sich mit harter Gitarre besser transportieren lässt. Sowas geschieht aber oft unterbewusst und äußert sich gar nicht unbedingt im Sound, sondern stärker noch in den Texten, die ja seit jeher anpolitisiert sind und der Musik oft auch vorausgehen.
MusikBlog: Ist Musik für dich ein Druckventil, um Dampf abzulassen, oder zunächst mal nur eine künstlerische Ausdrucksform?
Frank Z.: In erster Linie letzteres, aber ersteres kommt dann fast von allein, so als Nebeneffekt.
MusikBlog: Ist dieser Nebeneffekt dann euer Angebot ans Publikum?
Frank Z.: Kommt aufs Publikum an, aber hier in Berlin geht es auf unseren Konzerten schon ganz schön ab.
MusikBlog: Anders als in eurer alten Heimat Hamburg, wo zurückhaltendes Kopfnicken schon als Eskalation gilt.
Frank Z.: Ganz genau. Aber auch die kommen nicht zur stillen Andacht zu Abwärts, sie zeigen das bloß etwas anders. Wenn wir im Hafenklang spielen, kocht es allerdings auch da gewaltig, und den Nochtspeicher, wo wir da als Nächstes spielen, kriegen wir auch schon unruhig.
MusikBlog: Sind die unruhigen Zeiten, über die wir vorhin geredet haben, für linken Protestpunk eigentlich gute oder schlechte?
Frank Z.: Davon abgesehen, dass ich mir solche Etiketten nicht gern anheften lasse, sind wir im Zweifel generell so sarkastisch, dass unsere Musik mit jeder Zeit gut zurechtkommt. Aber stimmt schon – wenn ich mich das ganze Jahr über auf Ibiza am Strand sonnen würde, klänge wohl auch unser Sound völlig anders. Man reflektiert halt das, was um einen herum geschieht. Das war auch 1980 nicht anders, als sich unser erstes Album „Computer-Staat“ mit der frühen Digitalisierung beschäftigt hat.
MusikBlog: Das Datum deiner ersten LP zeigt, wie lange du schon im Geschäft bist.
Frank Z.: Wenn auch mit längeren Unterbrechungen.
MusikBlog: Hast du in den vergangenen 40 Jahren jemals die Lust, auch die Energie verloren, Musik zu machen?
Frank Z.: Nee, schon weil ich das Ganze nie als Zwang verstanden habe. Ich habe Abwärts immer als Projekt verstanden, das alle vier, fünf Jahre mal ein Album rausbringt, weil man Lust drauf hat, nicht, um irgendeinen Umsatzbedarf zu befriedigen. Solche Bands gibt es – ohne Namen zu nennen – ja auch zwei, drei in Deutschland.
Weil die erste Platte da schnell wie die letzte klingt, haben wir uns dagegen von Anfang an von kommerziellem Druck befreit. Was willst du mit der Scheißkohle auch machen, wenn du zum Leben genug hast? Trotzdem wird die Platte dem, was man vielleicht alte Fans nennen könnte, vermutlich besser gefallen als die davor. Das ist schon ein bisschen back to the roots. Schließlich spielen wir ja auch in der aktuellen Besetzung – bis auf den Bassisten – schon ein ganzes Weilchen zusammen.
MusikBlog: Welchen Anteil hat der Ärzte-Bassist Rodrigo González daran, dass es euch heute noch gibt?
Frank Z.: Einen großen! Wir schaufeln gemeinsam die Ideen zusammen und produzieren dann alles zu zweit. Das ist echt fifty-fifty.
MusikBlog: Was glaubst du, zu welcher Art von Musik das in vier, fünf Jahren führen könnte, wenn ihr diese Arbeitsweise weiterführt?
Frank Z.: Gute Frage, da lege ich mich besser nicht fest. Was allerdings schwer vorstellbar wäre, ist ein komplett elektronisches Album, Metal und Folk schließe ich ebenfalls mal aus. Wir machen Rockmusik.
MusikBlog: Die dann womöglich eine weniger zerrüttete Gesellschaft kommentiert als heute?
Frank Z.: (lacht) Ich kann da nicht in die Glaskugel gucken, glaube aber, dass sich die gesellschaftlichen Konflikte in Deutschland, Europa und der Welt eher noch verschärfen. Wir haben weiter genug, worüber es sich zu singen lohnt.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.