Zu viele Waffen, zu wenig Empathie, zu viel Gier, zu wenig Liebe: Wenn Dominic Harrison alias Yungblud morgens die Zeitung aufschlägt, überkommt ihn das Grausen. Mit seinem Debütalbum „21st Century Liability“ will der exzentrische Brite einen musikalischen Wacht-endlich-auf!-Alarm auslösen.
Sicher, das haben vor ihm schon viele andere Musikanten versucht. Aber im Fall von Yungblud könnte es durchaus sein, dass sich aus der aufkeimenden Liebe zwischen der neugierigen Masse und dem bis in die Haarspitzen motivierten Künstler eine langfristige Win-Win-Beziehung entwickelt. Yungblud spricht die Dinge, die ihn stören klar an.
Der 19-jährige „Joker“-Klon schimpft und meckert sich auf seinem Debüt die Seele aus dem Leib. Und das kommt bei seinen Fans gut an. Wir trafen uns mit dem Newcomer aus South Yorkshire vor der Veröffentlichung seines ersten Studio-Longplayers in Berlin zum Interview und plauderten über Genre-Wirrungen, Sprachrohre für offene Ohren und die aktuelle Weltsituation.
MusikBlog: Dominic, viele Leute haben große Probleme, deine Musik zu kategorisieren. Empfindest du das als Kompliment? Oder nervt dich die Tatsache, dass die Menschen bei deiner eingeschlagenen Sound-Richtung ins Schlingern kommen?
Yungblud: Ich finde das großartig. Ich bin ja ganz bewusst auf einem Weg unterwegs, der mir alle künstlerischen Freiheiten gibt, und es mir erlaubt, aus dem Vollen zu schöpfen. Das ist total mein Ding. Ich höre auch Musik aus unterschiedlichsten Branchen. Da liegt es einfach nahe, all die Inspirationen in einen Topf zu werfen und etwas Neues entstehen zu lassen.
MusikBlog: Aufgewachsen bist du in einem eher rockorientierten Umfeld. Wann haben dich dann andere Sounds gepackt?
Yungblud: Die erste Platte, die ich bewusst gehört habe, war „Revolver“ von den Beatles. Damals war ich sechs oder sieben und wollte immer erst ins Bett, wenn der letzte Beckenschlag des Albums erklang. Später kamen dann andere Einflüsse hinzu. Ich denke, das ist ganz normal. Irgendwann hörte ich Queen und Bowie. Dann kam Hip-Hop dazu. Mir war einfach nur wichtig, das Gefühl zu haben, dass mir die Leute etwas mit auf den Weg geben wollen. Musik ist ja immer irgendwie präsent – überall. Aber Musik mit Inhalten, die einen zum Nachdenken anregen, hört man nicht an jeder Ecke. Da muss man schon suchen. Und das habe ich immer getan.
MusikBlog: Du selbst nimmst auch kein Blatt vor den Mund. Eine unausweichliche Entwicklung?
Yungblud: Irgendwie schon, denke ich. Es stand für mich nie zur Debatte, einfach nur Musik zu machen um Leute zu unterhalten. Das machen schon genug andere. Für mich sind meine Texte mindestens genauso wichtig wie die Sounds auf denen meine Gefühle und Gedanken in die Welt getragen werden.
MusikBlog: Was beschäftigt dich dieser Tage denn am meisten?
Yungblud: Oh, da gibt es zahlreiche Dinge auf der Welt, die mir gegen den Strich gehen. Das meiste davon ist ja offensichtlich. Durch das Internet gibt es kein Informationsloch mehr. Jede böse Tat auf der Welt wird festgehalten und auf dem Silbertablett präsentiert. Die Menschen sind informiert. Eigentlich weiß jeder, was die Stunde geschlagen hat. Und es gibt auch viele junge Menschen, die etwas verändern wollen. Aber es gibt halt auch Leute da draußen, die andere Sichtweisen vertreten, die Dinge schön reden und sich dem Veränderungsprozess in den Weg stellen. Mir ist es wichtig, dass die junge Generation mehr Gehör findet. Daher spreche ich die Dinge klar an und gehe mit meinen Botschaften in die Offensive.
MusikBlog: Fühlst du dich wie das Sprachrohr einer neuen Generation?
Yungblud: Ich bin ein Musiker, der eine Meinung hat und keine Angst davor hat, sie mit anderen zu teilen. Macht mich das zu einem Sprachrohr für andere? Keine Ahnung. Wenn ich mit meiner Musik und meinen Texten dazu beitragen kann, dass junge Menschen wieder mehr Gehör finden, dann können mich die Leute nennen wie sie wollen – gerne auch Sprachrohr. (lacht)
MusikBlog: Du bist noch keine zwanzig Jahre alt und wirst bereits auf Händen getragen. Hast du dir deinen Weg in den Pop-Olymp so vorgestellt?
Yungblud: Ich habe mir überhaupt nichts vorgestellt. Ich habe nur an meinem Traum gearbeitet, irgendwann einmal auf der Bühne zu stehen, um Musik zu machen und meine Meinung kund zu tun. Das war auch kein Selbstläufer. Ich bin einfach nur ein fokussierter Mensch, der an das glaubt, was er macht. Natürlich bin ich happy über die aktuelle Situation. Aber das ist erst der Anfang. Ich will noch viel mehr in die Wege leiten. Und dafür werde ich weiter hart arbeiten.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.