Bei Florence Welch weiß man nie so recht, ob das eigentlich gerade noch Singen oder eher sowas wie Rufen ist. Auf die Dauer kann ihre einnehmende Stimme anstrengend sein und vielleicht hat sie deswegen in Deutschland – im Gegensatz zu ihrem Heimatland Großbritannien – noch nicht den Status der ganz großen Diven erreicht. Sollte es tatsächlich daran liegen, dann könnte sich mit „High As Hope“ das Blatt wenden.

Auf ihrem vierten Album schlagen Florence + The Machine introvertierte Töne an. Das so charismatische, ekstatische Ausrufen auf höchster Frequenz, das man aus Klassikern wie„Dog Days Are Over“ oder „Shake It Out“ kennt, die bis heute zu ihren größten Hits zählen, ist auf „High As Hope“ eher seltener Besucher als Dauergast.

Bestes Beispiel dafür ist die Vorab-Single „Big God“. Das klingt irgendwie so gar nicht nach Florence + The Machine und dann aber eben doch. Eigentlich müsste allein wegen diesem Song ein neuer James-Bond-Film in die Kinos kommen, denn „Big God“ wäre der perfekte Soundtrack.

Das leicht verstimmte Klavier-Riff, dazu Welchs Stimme, die plötzlich in ungeahnte Tiefen abdriftet und gurgelnde Geräusche von sich gibt, das sich langsam einschleichende Schlagzeug, pointierte Streicher und dann plötzlich dieser jazzige Rhythmus in Kombination mit schreitenden Bläsern:

Man sieht Daniel Craig im Spionagemodus um die nächste Ecke schleichen und dabei lässig der heißen Dame im feuerroten Kleid ein charmantes Zwinkern zuwerfen. Während Welch noch vor sich hin gurgelt, wird mit einem Paukenschlag Platz für Kamasi Washingtons Tenorsaxophon Platz gemacht – das perfekte i-Tüpfelchen zum Schluss.

Alleine dafür lohnt sich „High As Hope“ schon. Aber natürlich gibt es unter den zehn Songs noch mehr Perlen. Nachdem Florence + The Machine vor drei Jahren auf „How Big, How Blue, How Beautiful“ ein buntes Orchesterfeuerwerk entzündeten, überzeugt der Nachfolger besonders dadurch, es nie zu gut zu meinen.

Klar gibt es auch hier Streicher, aber eben nicht konstant und nie übertrieben. Bei einigen Songs verlassen die Briten sich auf das Wesentliche. Sie punkten allein durch das Zusammenspiel von Welchs Stimme – die eben nicht konstant am Limit jauchzt – und ausgewählten Instrumenten.

Mit Zeilen wie „What if one day there is no such thing as snow“ liefern sie gleichzeitig einen deutlichen Kommentar zum Zeitgeschehen. Natürlich gibt es mit „Patricia“ oder „Hunger“ aber auch die typischen, nach vorne gehenden Songs, bei denen man so gerne mitsingen würde, wenn es denn die Stimmbänder zuließen.

Mit „High As Hope“ packen Florence + The Machine sich selbst aus der Schublade. Denn alle, die Florence + The Machine schon als ewig übertriebene Grandezza mit Stimmbändern am Limit abgestempelt hatten, sind hiermit gezwungen, dieses Urteil zu überdenken.

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